Blutbefleckter „Kriegsverbrecher“ in Narva
Estland erteilt russischer Forderung nach Entfernung von Anti-Putin-Plakat klare Absage
In Narva direkt an der russischen Grenze sind die Dinge seit Ausbruch des Ukrainekrieges sehr speziell geworden. Die 55.000-Einwohner-Stadt ringt spürbar mit ihrer Identität, was vor allem mit einer Zahl zu tun hat: 90 Prozent der hier lebenden Menschen sind russischsprachig. Viele haben enge Bindungen ins riesige Nachbarland.
Rund um die Entfernung eines Sowjet-Panzerdenkmals im August 2022 traten die Spannungen offen zu Tage. Eigentlich hätte man das Monument lokalpolitisch gerne unangetastet gelassen, aber aus der Hauptstadt Tallinn kam die Order zum Abbau. Ein Machtwort der Regierung in die Grenzregion.
An diesem 9. Mai, dem in Russland stets mit viel Fanfare und Militärparade gefeierten Jahrestag des Sieges über Nazideutschland, ist Narva nun erneut in Erscheinung getreten. Diesmal mit einem Statement, das – gelinde gesagt – noch etwas deutlicher ist als die Sache mit dem Panzerdenkmal.
Was ist geschehen? Am Dienstagmorgen brachte das Narva-Museum ein riesiges Plakat mit dem blutbefleckten Konterfei von Wladimir Putin und der Aufschrift „Kriegsverbrecher“ an einer Festungsmauer an. Weithin sichtbar bis zur anderen Seite des Flusses, wo Russland beginnt.
Eilig einberufenes Treffen auf Grenzbrücke – aber Putin-Plakat blieb hängen
Hier wiederum, in der gegenüberliegenden Stadt Nowgorod, war für den 9. Mai eine Feier geplant – mit Konzertbühne und Großbildleinwand in der Nähe der Sõpruse-Brücke. Vor allem aber: mit bestem Blick auf das Narva-Museum und das großflächig angebrachte Anti-Putin-Plakat.
Also baten laut estnischen Medienberichten die russischen Behörden kurzfristig um ein Treffen mit Vertretern der estnischen Polizei, um die unverzügliche Entfernung des Plakates einzufordern. Tatsächlich fand das Treffen dann gegen 10.00 Uhr statt, aus russischer Perspektive allerdings ohne Erfolg.
Die Estonian World zitierte den Leiter der Narvaer Polizeiwache, Indrek Püvi, wie folgt: „Das heutige ungeplante Treffen wurde von der russischen Seite initiiert. Dabei ging es um das Plakat an der Wand des Narva-Museums, dessen Entfernung man von uns forderte.“
Es heißt, die Anwort sei ähnlich klar wie die Forderung ausgefallen. Man habe den russischen Vertretern mitgeteilt, dass ein solches Plakat in Estland nicht verboten sei, teilte Püvi mit. Und daß die russische Seite nicht in der Position sei, dessen Entfernung anzuordnen. Kurzer Dienstweg war einmal.
Iwangorod musste an diesem 9. Mai also irgendwie den Spagat zwischen Nationalpathos diesseits und bemerkenswert offener Ablehnung jenseits des Flussufers hinbekommen. Ob’s gelungen ist, ist nicht überliefert.
Was ist da los