Viehwaggons nach Sibirien
Estland erinnert heute an März-Deportationen von 1949
Es musste überraschend beginnen, im Morgengrauen, wenn die Kinder noch schliefen. Beamte des sowjetischen Sicherheitsapparats hatten sich heimlich am Abend des 24. März in Vilnius, Riga und Tallinn bereit gemacht, um eine Stunde nach Mitternacht mit der Menschenjagd zu beginnen. Ziel der grausamen Operation war es, die baltischen Staaten einzuschüchtern und letztlich zu russifizieren.
„Der 25. März ist ein Mahnmal dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholen darf. Das Gedenken daran soll uns ermahnen, Freiheit und Menschenwürde überall zu verteidigen“, erklärte das Estnische Institut für Menschenrechte, laut estnischem Rundfunkt ERR.
Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei auch der Gegenwart. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine betont das Institut:
„Als Esten wissen wir, was es heißt, unter Fremdherrschaft zu leben. Darum dürfen wir nicht gleichgültig bleiben – die Ukraine braucht unsere aktive Unterstützung, nicht nur Mitgefühl.“
Zwangsverschleppungen in Viehwaggons
Die Deportationen vom März 1949 trafen nicht nur Estland. Insgesamt wurden über 90.000 Menschen aus Estland, Lettland und Litauen in Viehwaggons nach Sibirien deportiert. Die meisten von ihnen waren Frauen und Kinder unter 16 Jahren. Viele kehrten nie in ihre Heimat zurück.
Der Massenverschleppung 1949 war eine ähnliche Aktion im Juni 1941 vorausgegangen – kurz nach der ersten sowjetischen Besetzung Estlands. Die Aktion von 1949 war jedoch noch größer.
Trotz eines 1920 geschlossenen Friedensvertrags zwischen Estland und der Sowjetunion, der die Unabhängigkeit des baltischen Staates anerkannte und „fürt alle Zeiten garantierte“, wurde Estland nach dem Zweiten Weltkrieg erneut von der UdSSR besetzt – und blieb es danach für fast 50 Jahre.
Gedenken und Aufklärung
Das Museum der Besatzungen in Tallinn dokumentiert die Deportationen vom 25. März und andere Aspekte der sowjetischen sowie nationalsozialistischen Besatzungsgeschichte Estlands. Neben Ausstellungen erinnert dort auch eine Karte der Deportationsorte an das Ausmaß des damaligen Unrechts.