Tunnel oder Brücke? Oder nichts?
Estland: Feste Verbindung vom Festland zur Insel Muhu (und nach Saaremaa) wird geprüft
Bislang gibt es über Suur väin, der Meerenge zwischen dem estnischen Festland und der Insel Muhu, eine Fährverbindung. Rund sechs Kilometer Strecke sind das. Eine nette Zwischenetappe für Urlauber, die mit dem Auto oder dem Rad unterwegs sind.
Für Einheimische ist regelmäßiges Pendeln dann schon beschwerlicher, weil es Zeit frisst – zumal Muhu ja bereits eine Straßenverbindung rüber zur ungleich größeren, bekannteren und nur ein kleines Stückchen weiter westlich gelegenen Insel Saaremaa hat.
Die Fährverbindung von Virtsu (Festland) nach Kuivastu (Muhu) macht das zu einem regelrechten Verkehrsnadelöhr für fast 40.000 Menschen, die auf den beiden Inseln leben. Hinzu kommen Zigtausende Touristen pro Jahr, für die eine deutlich schnellere Verbindung vom Festland ebenfalls attraktiv sein kann.
Aus diesem Grund wird in Estland schon seit Jahren über eine Alternative zur Fährverbindung diskutiert. Wie gesagt, es geht um etwa sechs Kilometer, was sowohl einen Tunnel als auch eine Brücke möglich erscheinen lässt. Ohne Frage ein Großprojekt, so oder so, aber technisch machbar wäre beides.
Aber die Sache ist auch abseits des Bauvorhabens kompliziert. So berichtet aktuell ERR.ee von massiven Bedenken, die Umwelt- und Tierschützer sowie Archäologen mit Blick auf die Planungen haben. Und Einheimische auch, jedenfalls ein Teil davon.
Bis zum 10. September konnten nun Vorschläge erarbeitet und eingereicht werden, die der Regierung verbindliche Entscheidungen ermöglichen sollen. Einer dieser Vorschläge ist eine archäologische Unterwasserstudie, für die sich das Kulturministerium stark macht.
Denn bislang weiß niemand, welche möglichen „Schätze“ tief in der Suurstraße schlummern. Entsprechende Untersuchungen hat es hier noch nie gegeben. Eine Sonarstudie könnte daher die Lösung sein, um die Existenz von Objekten und Kulturgütern im Unterwasserbereich zu klären.
„Die Kartierung und Bestimmung des kulturellen Erbes in der Suurstraße ist ein wichtiger und notwendiger Faktor. Hierdurch soll die Erhaltung des bestehenden, aber auch des bisher unbekannten Unterwasserkulturerbes gewährleistet werden“, teilte ein Sprecher des Kulturministeriums mit.
Hinzu kommt natürlich die Schlüsselfrage nach der ganz grundsätzlichen Art des Bauwerks: Tunnel oder Brücke? Der estnische Architektenverband schlägt dazu vor, einen Wettbewerb durchzuführen, in dem Pro und Contra anhand plastischer Modelle gegeneinander abgewogen werden können.
„Beide Varianten sind von hoher symbolischer Bedeutung und hätten deutliche visuelle Auswirkungen auf die Umgebung und die lokalen Siedlungen. Es ist daher wichtig, die beste architektonische Lösung für dieses Bauwerk zu finden“, schätzt Andro Mänd, Präsident des Architektenverbandes, die Situation ein.
Den visuell deutlichsten Einfluss hätte selbstredend eine Brücke, da muss man kein Fachmann sein. Aber nicht nur Landschaftsästheten, auch Tierschützer laufen bereits Sturm gegen diese Variante, da die Suurstraße Lebensraum für zahlreiche Vogelarten und Ringelrobben ist.
Man könne – wenn überhaupt – lediglich einem Tunnel zustimmen, heißt daher die einheitliche Position der estnischen Umweltverbände, die bereits seit Längerem auf dem Tisch der politischen Entscheider liegt.
Und wie halten es die Einheimischen mit dem Bauprojekt? Auch hier scheint das Bild gespalten, mit großem Zuspruch für Tunnel oder Brücke auf Saaremaa und erheblicher Ablehnung auf Muhu, wo man fürchtet, in Zukunft vom Verkehr erdrückt zu werden. Puh, wer will das alles entscheiden?
Immerhin: Alle Vorschläge liegen nun auf dem Tisch, die öffentliche Diskussion ist eröffnet. Es wird Stress geben, Streit und harte Verhandlungen. Vorsorglich haben Berater der Regierung daher auch schonmal durchblicken lassen, dass am Ende doch die Fähre die beste Option sein könnte.
Deren Betreiber wären dabei. Das ist so sicher wie derzeit nichts anderes, was die feste Verbindung vom estnischen Festland nach Muhu betrifft.
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sh