Weibliche Doppelspitze bahnt sich an
Liberale gewinnen Parlamentswahlen in Estland
Die Estnische Reformpartei (Eesti Reformierakond, RE) gewinnt die 14. Wahlen zum estnischen Parlament. Die Vorsitzende der estnischen Liberalen, Kaja Kallas, könnte die erste Frau auf dem Premierministerposten Estlands werden.
Wahlergebnis in Estland
Das estnische Parlament verfügt über 101 Sitze, die nach den gestrigen Wahlen wie folgt verteilt sind: Reformpartei bekommt 34 Sitze (+4), Estnische Zentrumspartei des amtierenden Primierministers Jüri Ratas 26 Sitze (-1), Estnische Konservative Volkspartei 19 Sitze (+12), Vaterlandspartei (Isamaa) 12 (-2), Sozialdemokratische Partei 10 (-5). Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 63%, 1,5 Prozent weniger als bei den Wahlen 2015.
Erste Frau als Premierministerin in Estland
In den nächsten Tagen wird die estnische Präsidentin, Kersti Kaljulaid, die Vorsitzende der estnischen Liberalen, Kaja Kallas, darum bitten, eine Regierungskoalition zu bilden. Kallas wird daraufhin Parteien zu Koalitionsgesprächen einladen. Sollten alle Koalitionsgespräche scheitern, die Regierung benötigt mindestens 51 Parlamentarier zur Bildung einer Regierung, würde die Präsidentin die zweitstärkste Partei, die aktuell regierende Zentrumspartei, mit einer Regierungsbildung beauftragen.
Doch das ist reine Formalität. Die Beobachter vor Ort gehen davon aus, dass Kaja Kallas die erste Frau im höchsten politischen Amt Estlands sein wird. Damit wird das Land wohl über eine weibliche Doppelspitze verfügen: Präsidentin Kaljulaid und Premierministerin Kallas.
Die estnischen Parteien und ihre Agenda im Überblick
Estnische Reformpartei (Eesti Reformierakond, RE): Die Partei vertritt klassisch liberale Politik. Dabei stehen im Vordergrund ein hohes Maß an individueller Freiheit in allen Lebensbereichen. Sie verspricht hochqualifizierte Wirtschaftsstrukturen und die Aufrechterhaltung der Sicherheit und freiheitlicher Werte in einer globalisierten Welt.
Estnische Zentrumspartei (Eesti Keskerakond): Die Mitte-links-Partei verspricht eine „faire Gesellschaft“ für alle, eine „Gesellschaft, die sich um jeden einzelnen Bürger sorgt“. Die Zentrumspartei befürwortet die Einführung einer progressiven Einkommensteuer und betont die ausgleichende Rolle des Staates in der sozialen Marktwirtschaft.
Estnische Konservative Volkspartei (Eesti Konservatiivne Rahvaerakond, EKRE): Eine populistische, ausländerfeindliche und EU-kritische Partei. Mit +12 und einem Gesamtergebnis von 19 Sitzen im Parlament der größte Gewinner der Wahlen 2019.
Vaterlandspartei (Isamaa): Die Partei steht für die Souveränität Estlands, frei in seinen Entscheidungen, gegen externe Bedrohung gesichert und wirtschaftsliberal. Die Partei sagt, sie stünde für den Fortbestand des estnischen Volkes sowie seiner Sprache. Sie ist Mitglied der Christlich Demokratischen Internationale und damit eine christdemokratische Partei.
Sozialdemokratische Partei (Sotsiaaldemokraatlik Erakond, SDE): Die zentralen Aussagen der estnische Sozialdemokraten lauten: „Jeder einzelne zählt“, „niemand sollte zurückgelassen werden und jeder hat das Recht das zu sein, was er sein möchte.“ Die Partei steht für eine offene Gesellschaft. Unter den sozialdemokratischen Parteien Europas steht die SDE für eine eher konservative Politik.
ap