Küstenerosion mit Ansage
Estland: Paldiski-Steilküste wird sich in nächsten 100 Jahren um 25 Meter zurückziehen
Vor ziemlich genau einer Woche stürzte eine Beobachtungsplattform auf der Klippe von Paldiski auf den darunter liegenden Strand. Die Behörden hatten schon lange davor gewarnt, entsprechend galt dort ein Zutrittsverbot.
Getan ist es damit allerdings nicht, denn der Abbruch hatte Gründe, die an dem Felsen im Nordwesten von Estland (genauso wie an anderen im Land) sprichwörtlich nagen: Die Rede ist von Küstenerosion.
Olle Hints, Leiter des Geologischen Instituts und außerordentlicher Professor an der Technischen Universität Tallinn (TalTech), teilte zu dem Vorfall mit, die gesamte Klippe werde sich in den nächsten 100 Jahren wahrscheinlich um 25 Meter zurückziehen.
Der 1760 errichtete Leuchtturm stand einst in sicherer Entfernung zum Meer
„Das ist im Grunde nichts Besonderes. Diese Prozesse laufen seit Tausenden von Jahren ab und werden sich fortsetzen“, so Hints in einem Pressestatement. Den Erosionsprozess beschrieb er gegenüber ERR.ee wie folgt:
„Der Zerfall der Küstenlinie geschieht Stück für Stück. Unten bröckelt sie ständig, wo Meer, Wind und Wellen an ihr nagen. Und oben wartet eben der Kalkstein auf seine Zeit. Wenn unten zu viel fehlt, kommt es oben zwangsläufig zu Abbrüchen.“
Im Falle der Pakri-Halbinsel ist das auch deshalb von Nachteil, weil hier – einst in sicherer Entfernung zum Meer – ein 1760 errichteter Rest-Leuchtturm steht. Eine beschauliche Attraktion, die nach den Worten des Forschers keine große Zukunft mehr hat. Der Abbruch ist sicher.
Hints sagte, es sei sehr schwierig vorherzusagen, wann genau der nächste Einsturz erfolgen könnte. 2008 gab es einen besonders großen. Damals krachten an den Klippen auf einen Schlag etwa 20.000 Tonnen Geröll in die Tiefe.
Die Felsabstürze erfolgen in der Regel im Winter und im Frühjahr – aus Gründen
Den Berechnungen zufolge dürfte es in 300 Jahren sogar eng für den höchsten Leuchtturm Estlands werden. Der Pakri tuletorn (ca. 60 Meter hoch) steht nur einen Steinwurf landeinwärts vom alten Leuchtturm entfernt, der bereits in den Abgrund blickt.
Die Felsabstürze erfolgen in der Regel im Winter und im Frühjahr. Wind und Wellengang sind dann rauer, an der Oberfläche ist es häufig gefroren. Und im Inneren der Felsen zirkuliert das Grundwasser weiter. Es dringt in Risse ein, gefriert, quillt auf und leitet so den Erosionsprozess ein.
Die örtlichen Behörden haben die gefährlichsten Gebiete in der Region bereits kartiert und Maßnahmen ergriffen. So wie an der zuletzt abgestürzten Klippe werden Warnschilder aufgestellt und Zäune aufgebaut.
„Diese müssen dann aber auch beachtet werden“, sagt ein Sprecher der Region Lääne-Harju. „Alles andere ist brandgefährlich.“