Interview mit NGO „Slava Ukraini!“
Estland: Jurist Putin „will, dass alles rechtlich korrekt erscheint“ – selbst der Einsatz von Atomwaffen
Bemerkenswertes Interview im estnischen TV mit Ilmar Raag, Filmregisseur, Reserveoffizier und Führungsmitglied der NGO „Slava Ukraini!“ – zu Deutsch: „Hoch lebe die Ukraine!“. Darin zeichnet Raag ein Bild von Wladimir Putin, das so in der Öffentlichkeit kaum präsent ist.
Verkürzt scheint es bislang doch so, als käme eine Vielzahl von Kommentaren und Deutungsversuchen zu den Handlungsweisen des russischen Präsidenten irgendwann zu dem Schluss, Putin sei ja im Grunde Zeit seines Lebens ein KGB-Offizier geblieben.
Aber Putin sei seinem akademischen Rang nach eben auch Jurist, hält Raag dagegen, was vielen so wahrscheinlich gar nicht bewusst ist. Studiert hat er das Fach vor seiner KGB-Laufbahn an der Leningrader Universität, also im heutigen Sankt Petersburg. Daraus leitet Raag laut ERR.ee ab:
„Als Jurist möchte Putin, dass alles rechtlich korrekt erscheint. Für ihn ist es wichtig, dass die ukrainischen Regionen, die er jetzt als Teil Russlands bezeichnet, ihm eine Rechtsgrundlage bieten.“
Und zwar auch für den weiteren Kriegsverlauf, was Raag insofern als hoch gefährlich ansieht, da Putins Denken zu einem ganz bestimmten Punkt führen könne, den wirklich niemand will. Den Punkt nämlich, an dem er es als rechtlich legitimiert ansehen könnte, militärisch zum Äußersten zu greifen.
Vor diesem Hintergrund erscheinen Putins Scheinreferenden und die pompöse Ernennung der ukrainischen Oblaste zu russischem Staatsgebiet auch gar nicht mehr als PR-Masche der billigsten Sorte, sondern als eine Art formaljuristische Selbstvergewisserung, das Richtige zu tun.
In diesem Sinne befürchtet Raag, dass Putin aus der soeben ratifizierten Annexion für sich quasi rechtskonform ableiten könne, „alle möglichen Mittel zur Abwehr ukrainischer Angriffe einzusetzen, einschließlich des Einsatzes taktischer Atomwaffen.“ Wollen wir hoffen, dass er sich da gewaltig irrt.
Am Montag wird „Slava Ukraini!“ in Estland übrigens eine Spendenkampagne starten, mit der medizinische Ausrüstung und Hilfsgüter in die Ukraine geliefert werden sollen. Konkret geht es auch um den Kauf von Winteruniformen für 1.000 ukrainische Frontsoldaten.