Estland will es vormachen
So ersetzt KI in Zukunft den Tempo-Blitzer am Straßenrand
Estland ist bekannt dafür, in Europa ein digitaler Vorreiter zu sein. Nun schickt sich der baltische Staat an, auch Tempo-Blitzer am Straßenrand durch hochmoderne Technologie zu ersetzen. Andere Länder dürften den Schritt mit Interesse verfolgen.

Konkret sollen stationäre Blitzer schnellstmöglich durch KI-gestützte Messungen in Streifenwagen, Abschnittskontrollen und automatisierte Verkehrsüberwachung ersetzt werden. Tempokontrollen sollen dadurch nicht nur effizienter, sondern auch genauer / fairer gemacht werden.
Hinzu kommt: Die neuen Systeme können neben Geschwindigkeitsüberschreitungen auch andere Verstöße erfassen, etwa das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts oder die Nutzung von Handys am Steuer. Doch die technische Umstellung erfordert nicht nur Investitionen, sondern auch gesetzliche Anpassungen.
Laut der Estnischen Polizei- und Grenzschutzbehörde (PPA) registrierten die Blitzer in Estland im vergangenen Jahr insgesamt 321.000 Verkehrsverstöße. Der Großteil davon wurde allerdings nicht durch stationäre, sondern durch mobile Kameras festgestellt.
„Die acht mobilen Blitzer haben mehr als 200.000 dieser Verstöße erfasst“, erklärte PPA-Sprecherin Oberstleutnant Sirle Loigo. Trotzdem plant die PPA keine zusätzlichen mobilen Kameras, sondern setzt auf ein neues Instrument: selbstmessende Streifenwagen.
„Unser Ziel ist, bis 2027 ein neues System zur Verwarnung und Sanktionierung in Betrieb zu nehmen“, so Loigo. Diese neuen Einsatzfahrzeuge sollen nicht nur Raser erfassen, sondern auch weitere Verkehrsverstöße dokumentieren.
Vollautomatische Strafen ohne polizeilichen Eingriff
„Gurtpflicht, Ablenkungen, Ampelverstöße, gefährliche Manöver – alles, was maschinell auswertbar ist“, listete Loigo auf. „Auch Handynutzung am Steuer wird automatisch erkannt.“ Verstöße werden dann digital erfasst und die Strafbescheide automatisch erstellt – ohne direkten Eingriff durch die Polizei.
„Das Bildmaterial wird in eine Datenbank überführt, wo der Strafzettel generiert wird. Eingreifen muss die Polizei nur noch bei Verstößen, die eine sofortige Reaktion erfordern“, erläuterte Loigo. Priit Sauk, Leiter der Transportbehörde, sieht das Ende der stationären Blitzer als logische Konsequenz.
„Jeder weiß, wo sie stehen. Das macht sie wenig effektiv. Die PPA hat daher angekündigt, auf moderne Technik zu setzen“, sagte er. „Solange die bestehenden Geräte zertifiziert sind und gewartet werden, bleiben sie in Betrieb. Das kann noch drei, fünf oder sieben Jahre dauern“, so Sauk bei ERR.ee.
Ein weiteres Überwachungskonzept, die sektorale Durchschnittsgeschwindigkeitsmessung, steckt in Estland noch in politischen Streitigkeiten fest. Nachbar Litauen ist hier schon deutlich weiter: Dort gibt es bereits 120 Abschnittskontrollen, 40 weitere sind geplant.
Studien zeigen, dass schwere Unfälle in überwachten Bereichen um mehr als 50 Prozent sinken. Kurzum: KI kann im Straßenverkehr Leben retten. Wie allerdings die Akzeptanz der Fahrerinnen und Fahrer gegenüber vollautomatisierten Bußgeldbescheiden sein wird, steht auf einem anderen Blatt Papier. Spannend.