Das Ungern-Sternbergsche Schloss bei Haapsalu
Die tragische Geschichte des Schlosses Lindenhof in Estland
Dies ist die Geschichte einer tragischen Liebe. Sie fängt nicht damit an, dass der deutsche Adel die östlichen Ostseegebiete Livlands und Estlands unterwirft und kolonisiert, das wäre zu viel Vorlauf für eine traurige Liebe, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert zugetragen hat. Zugetragen haben soll – der Legende nach.
Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Fakten der deutschen Geschichte, die so selten erzählt wird.
Die Deutschen kamen im späten 12. Jahrhundert in die Regionen des heutigen Estland und Lettland. Als Eroberer und christliche Eiferer hatten die Kreuzritter und ihre Nachgeborenen einen großen Einfluss auf Kultur und Sprache in der Region.
Eine dieser adeligen Familien war die Sippe von Ungern-Sternberg. Ein dem baltischen Uradel zugerechnetes Geschlecht, das im 13. Jahrhundert erstmals Erwähnung fand, als der damalige Bischof von Riga, Nikolaus von Nauen, die Familie zu Lehnsherren seiner Besitzung in Semgallen machte.
Im Jahr 1629 schenkte der schwedische König Gustav Adolf II. das Gut Linden Otto von Ungern-Sternberg, womit es in den Besitz der Familie kam. Ein erstes Gutshaus wurde damals für die Familie errichtet, der Lindenhof entstand. Der Herrensitz Lindenhof war vor allem für seine wunderschönen Parkanlagen berühmt.
Ein Nachfahre Ottos war Graf Ewald Adam Gustav Paul Constantin von Ungern-Sternberg. Dieser war im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zu Besuch im Schloss Merseburg in Sachsen-Anhalt, wo er sich unsterblich in die Tochter des Schlossherren verliebte. Verliebt haben soll.
Doch sein Wunsch, die Frau seiner Wahl zu heiraten, wurde von dieser abgelehnt. Sie sei so mit dem Schloss ihres Vaters verbunden, dass sie geschworen habe, für den Rest ihres Lebens darin zu wohnen.
Der junge Adlige versprach seiner Angebeteten daraufhin, das väterliche Schloss auf seinem Gut Lindenhof, Estland, nachzubauen, wenn sie ihn heiratete. Der Geschichte nach stimmte die Schöne zu und der Graf von Ungern-Sternberg kehrte eilig in seine Heimat zurück, wo er sogleich den Bau in Auftrag gab.
1893 wurde mit den Bauarbeiten für das neue Schloss begonnen. Die Errichtung der Mauern und des Daches nahmen mehrere Jahre in Anspruch, auch die Innenarbeiten dauern bei so einem Schloss an. Als das Bauprojekt fast vollendet war, erreichte den Grafen die Nachricht über den Tod seiner Verlobten in Merseburg.
Der Graf selbst erkrankte später, im Jahr 1908, während einer Reise nach St. Petersburg und verstarb dort im Alter von 45 Jahren.
Seinem letzten Wunsch entsprechend, wurde der Leichnam des Ewald Adam Constantin mit dem Zug nach Haapsalu transportiert und von da nach Lindenhof gebracht. Dort verbrachte er, wenngleich tot, seine erste und einzige Nacht in dem Schloss, das er für seine große Liebe erbauen ließ.
Am Tag darauf wurde der Körper des Grafen auf die Insel Hiiumaa überführt und im Familiengrab der von Ungern-Sternbergs in Hohenholm (estn. Kõrgessaare) beigesetzt.
Das herrschaftliche Anwesen Lindenhof aber blieb ohne Herren zurück und verfiel mit der Zeit. Bereits im 1. Weltkrieg fiel es Plünderungen zum Opfer und wurde 1919 im Zuge der estnischen Landreform enteignet. In den kommenden Jahren wurde das Gut als Baustofflieferant für einen nahegelegenen sowjetischen Fliegerhorst hergenommen. Ebenso bedienten sich die Einheimischen an dem Gemäuer, so wurde Lindenhof Stück für Stück zerstört, bis nur eine Ruine zurück blieb.
Die heutigen Eigentümer haben beschlossen, die Ruine des Lindenhofs zu bewahren und die Umgebung zu pflegen. Man kann die Spuren dieser großen Liebesgeschichte bis heute in der Nähe von Haapsalu besichtigen. Und wenn man durch die Mauerreste streift, kann man eine Vorstellung vom Leben der Deutsch-Balten um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert bekommen.
Schlimme Helena
Information
Lage: Etwa 3 km südwestlich von Haapsalu im Dorf Kiltsi gelegen, auf halbem Weg zum Fährhafen in Rohuküla. Bezeichnung: Auf estnisch Ungru loss. Auf deutsch Lindenhof od. Linden. Erbaut: Baubeginn 1893, kurz vor Vollendung um 1908 starb der Bauherr. Vermutlich nie vollendet. Bauherr Graf Ewald Adam Gustav Paul Constantin von Ungern-Sternberg. Baumeister: Der Este A. Saar. Als Architekten werden E. Schwartz und P. Schubanejew erwähnt. |