„Trump ist eine Inspiration“
Wegen Beleidigung Joe Bidens: Estnischer Innenminister tritt zurück
Die US-Präsidentschaftswahl schlägt hohe Wellen bis nach Estland, wo nun der Innenminister Mart Helme seinen Rücktritt angekündigt hat – er hat Joe Biden und seinen Sohn als „korrupte Drecksäcke“ bezeichnet.
Helme gehört der rechtsextremen Partei EKRE an und scheint ein großer Fan des noch amtierenden US-Präsidenten und dessen Methoden zu sein.
In einer Radioshow machte der estnische Spitzenpolitiker vergangene Woche keinen Hehl aus seiner Haltung zur US-Wahl.
Er ließ verlauten, dass der „Deep State“ – also jener berühmt-berüchtigte Staat im Staate, den Verschwörungsmythiker für so ziemlich alles Böse verantwortlich machen – bestens funktioniere und in den USA „korrupte Drecksäcke nach oben spüle, die erpressbar sind.“
Und ja, der designierte US-Präsident Joe Biden und sein Sohn Hunter Biden seien „korrupte Charaktere“, ließ er die Zuhörer wissen (Anm. d. Red.: Die Trump-Administration hatte Konkurrent Biden während des Wahlkampfes erfolglos vorgeworfen, seinem Sohn Hunter zu lukrativen Geschäften im Ausland verholfen zu haben).
Helmes Äußerungen trafen bei einigen seiner Regierungskollegen auf derart wenig Gegenliebe, dass er sich offensichtlich gezwungen sah, die politische Reißleine zu ziehen.
Und zwar mit Tusch, ähnlich wie bei Trump: „Angesichts der über mich verbreiteten Verleumdungen und Lügen, die die estnischen Medien verbreiten, habe ich mich zum Rücktritt entschlossen“, teilte er laut dem Magazin „Politico“ am Montag bei einer Pressekonferenz mit.
„Ich habe es satt“, so Helme weiter, „Ich habe gestern nichts getan, was die estnische Sicherheit gefährden könnte. Ich habe nichts gesagt, was die amerikanischen Medien – die freien amerikanischen Medien – nicht bereits gesagt haben.“
„Ihr werdet mir keinen Maulkorb anlegen, niemand wird mir einen Maulkorb anlegen“, bemerkte Helme gestern, als er seinen Rücktritt ankündigte. „Der Premierminister wird mir keinen Maulkorb verpassen, die Präsidentin oder die Medien werden mir keinen Maulkorb verpassen.“
Bekannt für seine populistische und aggressive Rhetorik
Mart Helme, der Vorsitzender seiner Partei EKRE von 2013 bis zum Sommer 2020 gewesen ist, ist zusammen mit seinem Sohn Martin Helme dafür verantwortlich, dass sich eine außerparlamentarische Randpartei zu einem wichtigen Akteur in der estnischen Politik entwickelt hat, mit 19 Sitzen im derzeitigen Parlament.
Die populistische Rechtsaußen-Partei gewann erstmals 2015 Sitze (7) im Parlament. Bei den Wahlen 2019 hat die sie ihre Sitze mehr als verdoppelt und ist derzeit die drittgrößte Partei im Parlament.
Anschließend wurde die EKRE eingeladen, die derzeitige Regierung mit der populistisch orientierten Zentrumspartei und der Mitte-Rechts-Partei Isamaa zu bilden – und Mart Helme wurde am 29. April 2019 Innenminister, während sein Sohn Finanzminister wurde.
Sowohl Mart als auch Martin Helme haben sich im Laufe der Jahre durch ihre aggressive Rhetorik hervorgetan. Als Innenminister hat Mart Helme zuvor die finnische Premierministerin Sanna Marin als „Kassiererin“ bezeichnet, die zusammen mit ihren „roten“ Koalitionspartnern „verzweifelt versuchen würde, Finnland zu liquidieren“.
Erst im Oktober sagte er in einem Interview mit der Deutschen Welle, dass er „einen wirklich unfreundlichen Blick“ auf Schwule wirfe und es besser wäre, wenn „Schwule nach Schweden gingen“.
Wäre Mart Helme nicht zurückgetreten, hätten die estnischen Oppositionsparteien im Parlament – die Reformpartei und die Sozialdemokraten – einen Misstrauensantrag gegen ihn gestellt.
Am Sonntag bezeichnete Ministerpräsident Jüri Ratas Helmes Äußerungen als „absurd“, und Präsidentin Kersti Kaljulaid sagte, sie seien ein „verbaler Angriff … ein Angriff auf die estnische Demokratie und Sicherheit“, und fügte hinzu, sie sei „traurig und schäme sich dafür“. Zugleich hatte Kaljulaid angekündigt, sie werde diese Woche den Verteidigungsrat einberufen, um die Situation zu diskutieren.
Verteidigungsminister Jüri Luik (Isamaa) sagte am Sonntag, dass die Kommentare der EKRE-Minister Mart und Martin Helme über den angeblichen Betrug bei den US-Wahlen „die Sicherheit Estlands untergraben und drohen, die amerikanisch-estnischen Beziehungen zu verschlechtern“.
Helme ist damit bereits der sechste EKRE-Minister, der das im April 2019 geschmiedete Regierungsbündnis in Estland vorzeitig verlassen wird.
Der ehemalige Umweltminister Rene Kokk trat letzte Woche aus gesundheitlichen Gründen zurück.
Alle anderen früheren Rücktritte stammen von Ministern aus dem gleichen Amt: IT und Außenhandel.
Der erste Minister Marti Kuusik trat bereits nach einem Tag im April 2019 zurück, gefolgt von seinem Nachfolger Kert Kingo, der im Oktober letzten Jahres zurücktrat.
In einem Politico-Interview hatte Helme den scheidenden US-Präsidenten 2019 als eine „definitive Inspiration“ bezeichnet.
sh