Fantasiewelt unter der Erde – Ein Museum der besonderen Art
Amos Rex: Magie in Helsinki
Es ist ein Aufsehen erregender, neuer öffentlicher Raum – mitten im Zentrum der finnischen Hauptstadt Helsinki. Amos Rex gilt schon jetzt als eines der innovativsten Museumsneubauten des Jahres. Gerade erst offiziell eröffnet, wirkt das Museum schon jetzt wie ein Magnet. Mit einer mindestens ebenso Aufsehen erregenden Ausstellung des japanischen Künstlerkollektivs teamLab, die den Besucher in poetisch-friedliche Traumwelten entführt.
Kurz bevor das Museum um 11 Uhr morgens öffnet, hat sich vor seinen Toren bereits eine gut 50 Meter lange Schlange gebildet.
Das Interesse am neuen Museum ist enorm. Fünf Jahre lang wurde unter der Erde eine Museumswelt erschaffen, die ihresgleichen sucht. 13.000 Kubikmeter Felsen wurden ausgegraben für die 2.200 Quadratmeter große unterirdische Galerie.
Der neue Glaspalast
Sie wurde in den Lasipalatsi integriert, dem Glaspalast aus den 1930er Jahren, der damals mit seiner funktionalistischen Architektur ebenso als wegweisend galt. Hier im Erdgeschoss befinden sich Einlassbereich, Kartenverkauf und Museumsshop. Auch das legendäre Kino „Bio Rex“, das für den Namen des neuen Museums Pate stand, ist Teil der neuen Institution.
Amos wiederum verweist auf den finnischen Verleger und Kunstmäzen Amos Anderson (1878-1961), dessen Stiftung in seinem ehemaligen Wohnhaus bereits eine große Kunstgalerie beherbergte. Das Gebäude wird derzeit renoviert und soll später ausschließlich Amos Anderson gewidmet werden.
Nicht vergessen werden sollte an dieser Stelle, dass das Amos Rex eine Art Ersatz für den gescheiterten Versuch darstellt, in Helsinki ein Guggenheim-Museum zu errichten.
Wellenlandschaften über der Erde
Die spektakuläre Gestaltung des rein privat finanzierten Baus stammt vom einheimischen Architektenbüro JKMM. Das unterirdische Museum speist sich mit Tageslicht, das über Kuppeln und Oberlichter ins Innere gelangt. Diese Schächte bilden eine neue wellenförmige Landschaft auf dem ehemaligen Busbahnhof beim Glaspalast und ziehen Klein wie Groß magisch an, auf ihnen rumzuspazieren, die Spitze zu erklimmen und die sich daraus ergebenden neuen Perspektiven auf die Stadt zu erkunden.
Faszinierende Traumwelten
Mit der Eröffnungsausstellung des in Tokio ansässigen Künstlerkollektivs teamLab ist den Museumsmachern ein weiterer Coup gelungen. „Massless“ ist Digitalkunst der Extraklasse.
Man wähnt sich in einer Traumwelt. Es ist wie von einem fremden Stern, wie eine Reise durch eine Phantasiewelt voller Farben und Formen, ein vielfarbiger und zugleich poetisch aufgeladener Rausch, dem sich keiner entziehen kann.
Ein Junge verfolgt die sich am Boden bewegenden Blumenteppiche, durch die mühelos ein friedlicher Wal schwimmt, bevor mit anderen Farben verschmilzt und verschwindet; ein kleines Mädchen bewundert die Regenbogenfarben, die über ihr Kleid huschen.
Eine digitale Simulation von Wasser strömt in umgekehrter Schwerkraft nach oben. Dazu beruhigende Klänge wie aus einer anderen Zeit. Eine Frau mit kurzen grauen Haaren ruft ihrem Mann erstaunt zu: Schau mal, wie viel schöne Blumen mir unter den Füßen wachsen.
Kaum einer, der nicht sein Mobiltelefon zückt, um diese Magie irgendwie festzuhalten. Denn mit Worten beschreiben lässt sich dieses audio-visuelle Erlebnis kaum.
Vergängliche digitale Kunst, jeden Tag anders. Denn jeder Besucher kann die magische dreidimensionale Welt mit seiner eigenen Kunst bereichern. Deren Kunstwerke werden eingescannt und erscheinen keine 30 Sekunden später auf Wänden und Boden. Verschmelzen mit den anderen Figuren und Fabelwesen zu einer berauschenden Farbsymphonie.
Neue Dimensionen selber erforschen
Es ist, als ob man eine neue, unbekannte Dimension betritt. Zeit und Raum verschwimmen. Und ehe man sich versieht, taucht man in diese schöne digitale Kunstwelt ein und verschmilzt fast mit ihr. Eine magische Welt, die einen gefangen nimmt und alles andere vergessen macht.
Damit trifft die Ausstellung genau das, was das Ausstellungsprogramm von Amos Rex erreichen will. Internationale Spitzenkunst des 20. Und 21. Jahrhunderts nach Finnland holen und erfrischend und überschwänglich präsentieren. „Unser Ziel ist es, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einzigartige Erlebnisse und überraschende Begegnungen unter und über dem Boden und auf der Leinwand zu schaffen“, sagt Kai Kartio, Direktor von Amos Rex.
„Die digitale Technologie hat es der Kunst ermöglicht, sich aus dem Physischen zu befreien und Grenzen zu überwinden, und wir glauben, dass digitale Kunst die Beziehung zwischen Menschen im selben Raum zu einer positiven Erfahrung machen kann“, sagt teamLab-Gründer Toshiyuki Inoko.
Kunst ist nicht länger etwas, das man an die Wand hängt und respektvoll betrachtet. Kunst ist zunehmend interaktiv, mischt sich ein und auf. Etwas, was wir Menschen gemeinsam machen und gemeinsam erleben können.
Web: Amos Rex Museum in Helsinki
Text und Fotos von Tarja Prüss