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Literatur aus Finnland

„Die Nacht der alten Feuer“ von Hanna Meretoja

Am letzten Samstag im August werden an den Küsten vieler Ostseeanrainer Feuer entzündet und damit das Ende des Sommers begangen. Diese „Nacht der alten Feuer“ ist eine ältere Tradition, die seit 1992 in Finnland wiederbelebt worden ist und sich kurz darauf auch in Estland und in weiteren Ländern wieder etablierte.

Die Nacht der alten Feuer Roman
„Die Nacht der alten Feuer“ ist der Debutroman der finnischen Schriftstellerin Hanna Meretoja. (Umschlag: Mare Verlag, Foto: Jussi Vierimaa)
In den finnischen Schären läutet die Muinaistulien yö auch das Ende der Sommerhaussaison ein. Ein guter Anlass, um noch einmal mit Freunden und Familie zu einem letzten Fest im Freien zusammenzukommen.

Die finnische Schriftstellerin Hanna Meretoja wählt diesen bedeutungsschwangeren Zeitpunkt zum Schauplatz ihres im Deutschen gleichnamigen Debutromans.

Elea und ihr Mann Otto laden ihre engsten Freunde ein, um diesen Abend am Lagerfeuer des familiären Sommersitzes in den Schären zu feiern. Und auch, um den Anwesenden zu eröffnen, dass Elea an Brustkrebs erkrankt ist.

Über 430 Seiten breitet sich die Diagnose in den einzelnen Figuren dabei selbst wie ein Tumor aus, reißt Wunden auf, die schon vernarbt schienen und zieht ein Geflecht aus Innensichten, Reflexionen und Referenzen nach sich.

Diagnose: Wichtiges Buch

Dass es sich bei der Hauptfigur Elea um eine Professorin für vergleichende Literaturwissenschaft handelt, ist ein Geschenk für die Geschichte. Dass die Autorin Meretoja den gleichen Beruf hat, kein Zufall. Denn die autofiktionalen Hintergründe dieses Romans werden von Meretoja in ihren Dankesworten gleich zu Beginn erwähnt.

So wird der Leser mitgenommen in die Innensichten der unterschiedlichen Akteure dieser Nacht am Ende der Pandemie.

Begleitet von popkulturellen, literarischen und historischen Referenzen kommen auch Medizintheorie und Sagen und Mythen zum Einsatz, wenn sich die Freundesgruppe und die anwesenden Kinder mit den Auswirkungen der Diagnose Krebs beschäftigen.

Die Assoziationen führen den Leser vom finnischen Götterepos Kalevala bis zur untergegangenen britischen Saunakultur, hin zu dem Krebstagebuch von Audrey Lorde und über 50 weiteren Werken der Weltliteratur. Allein das Literaturverzeichnis im Anhang umfasst fast fünf Seiten und ruft geradezu danach, erkundet zu werden.

Als leidenschaftliche Leserin habe ich mich über die intertextuellen Beziehungen und Referenzen gefreut wie ein Kind bei der Ostereiersuche.

Die aus diesen vielen Blickwinkeln betrachteten Aspekte von Krebs im Speziellen und dem Leben und Menschsein im Allgemeinen, die Verflechtungen von uns Menschen miteinander -kulturell, historisch und sozial-, lassen nicht nur die Freunde am Lagerfeuer am Ende der Nacht verändert zurück. Auch mir hat es eine Vielzahl an neuen Blickwinkeln aufgezeigt, die in meinem Alltag noch nachwirken.

Das Buch endet, ohne dass der Leser weiß, was mit Elea geschehen wird.

Hanna Meretoja hat ihren Brustkrebs überlebt und wird hoffentlich noch viele weitere Bücher schreiben, denn ich will sie alle lesen.

Erschienen im Mare Verlag. Hervorragend übersetzt von Stefan Moster.

Unser QUIZ zum Thema FINNLAND

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