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„Rechtzeitig zum Arzt“

Unwirksame Schlangenbiss-Pille seit 50 Jahren im Handel

Das Medikament „Kyypakkaus“ ist in Finnland seit rund 50 Jahren erhältlich und zählt damit längst zu den Klassikern im Apothekenregal. Entwickelt wurde es, um die Folgen von Schlangenbissen zu lindern. Problem nur: In dieser Disziplin ist es erwiesenermaßen unwirksam.

Kreuzotter Biss Pille
Eine Kreuzotter im Nationalpark Rokua, Nordösterbotten. Kreuzottern gehören zu den giftigen Vipern. Die besagte Pille hilft leider nicht gegen den Biss dieser Schlange. (Foto: Harri P.)
Das finnische Giftinformationszentrum sagt daher klar, dass die Tabletten kein Bestandteil der Ersten Hilfe bei Schlangenbissen sein sollten. Die enthaltene Dosis Hydrocortison sei viel zu gering, um im Fall der Fälle zu helfen.

„Es ist gefährlich, wenn eine Person glaubt, dass ein Biss mit rezeptfreien Medikamenten behandelt werden kann und nicht rechtzeitig zum Arzt geht“, teilte Vesa Mustalammi dieser Tage in einem Interview mit. Er ist Chefarzt bei Fimea, der finnischen Arzneimittelbehörde.

Also lautet die berechtigte Frage, wie sich ein solches Medikament über Jahrzehnte am Markt halten kann. Und interessanterweise kommt bei der Beantwortung zum Vorschein, dass auch das finnische Gesundheitssystem so seine Untiefen zu haben scheint. Das geht dann so.

Soll in Finnland ein Arzneimittel zugelassen werden, geht das nur über die oben genannte Fimea. Dort weiß man längst um die Unwirksamkeit der Tabletten, da deren Rezeptur schlichtweg auf falschen Annahmen über die Wirksamkeit von Hydrocortison beruht.

Aber: Eine erteilte Genehmigung für den Verkauf eines Arzneimittels lässt sich in Finnland nicht ohne Weiteres widerrufen. Jedenfalls so lange nicht, bis ein Medikament nachweislich als gefährlich eingestuft wird.

„Die Tabletten sind einerseits nicht gefährlich, aber andererseits auch nicht nützlich“

Hinzu kommt, dass Fimea die Arzneimittel früher alle fünf Jahre neu bewertet hat. Doch das ist Geschichte, aktuell gibt es für erteilte Genehmigungen keine zeitliche Begrenzung mehr. Grünes Licht also für Kyypakkaus, das Experte Mustalammi laut Yle.fi in einer Grauzone sieht.

„Die Tabletten sind einerseits nicht gefährlich, aber andererseits auch nicht nützlich“, so seine Einschätzung. In der Regel würden unbrauchbare Medikamente eh vom Markt genommen, wenn die Verbraucher sie nicht mehr kaufen, sagt er. Aus wirtschaftlichen Gründen sozusagen.

Aber auch dieser Mechanismus funktioniert bei den Tabletten gegen Schlangenbisse nicht, da sie nachweislich bei Wespen- und Bienenstichen wirksam sind. „Daher würde ich sie nicht aus dem Verkauf nehmen“, stellt Mustalammi klar, für den daher Umetikettierung der beste Vorgang wäre.

Hier jedoch stellt sich scheinbar der „Kyypakkaus“-Hersteller Orion quer. Man habe nicht im Sinn, den Namen und die Verwendungsempfehlung des Arzneimittels anzupassen, wird die Kommunikationsabteilung des Unternehmens zitiert.

Sagen wir es so: Gut, dass der Schlangenbiss in Finnland nicht zu den ganz großen Bedrohungen zählt. Die Kreuzotter ist dort als der einzig relevante Übeltäter gelistet. Und das letzte Mal, dass in Finnland ein Mensch an einem Schlangenbiss verstarb, war 1998.

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