Sauna als demokratischer Ort und Lieblingsplatz der Finnen
Finnlands bestgehütetes Geheimnis
In Finnland gibt es schätzungsweise drei Millionen Saunen. So genau weiß das keiner. Ziemlich sicher ist aber, dass es 5,5 Millionen Sauna-Experten gibt – so viele, wie das Land im hohen Norden Einwohner hat.
Die Top-Leader der Sauna-Branche treffen sich einmal jährlich zum Welt-Sauna-Forum. Dieses Jahr fand es in Tampere statt, der Sauna-Hauptstadt des Landes. 300 Fachleute aus 16 Ländern waren im Juni dabei, als es um bestgehütete Geheimnisse, Goldminen und Liebeshormone ging.
Welt Sauna Hauptstadt
Tampere ist mit über 240.000 Einwohner die drittgrößte Stadt Finnlands. Mit 34 öffentlichen Saunen, tausenden Hotelsaunen und noch mehr privaten Schwitzhütten darf die Industriestadt das Privileg „Welt Sauna Hauptstadt“ in Anspruch nehmen. Hier findet sich auch die älteste öffentliche Sauna Finnlands, die noch in Betrieb ist: In der Rajaportin Sauna wird der Holzofen seit über 100 Jahren jeden Tag eingeheizt.
Lieblingsplatz der Finnen
Für die Finnen ist Sauna so alltäglich wie Zähneputzen oder Einkaufen. Deswegen wollen sie auch nirgends darauf verzichten. Es gibt sie (fast) überall: in Hotels, Restaurants, auf Dachterrassen, an den Ufern der Seen, in Seilbahnen, auf Berghügeln, Riesenrädern, Flughäfen und Schiffen.
„Je mehr Wald und Wasser drum herum zu finden ist, umso besser das Saunaerlebnis“, sagt Generaldirektorin Leena Turunen von Lapland Hotels Arena in Tampere. In diesem erst im Dezember eröffneten Hotel, das Architekt Daniel Libeskind als Teil des neuen Stadions entworfen hat, verfügen gleich 70 Hotelzimmer über eine eigene Sauna. Selbst die Studios, von deren Balkon aus man die Eishockeymatches verfolgen kann, verfügen über je zwei separate Saunen.
Weil Sauna aus dem finnischen Alltag nicht wegzudenken ist, hat man ihre Besonderheit lange Zeit nicht als Exportschlager erkannt. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert: „Sauna from Finland“ – ein vor 12 Jahren gegründeter Zusammenschluss von Unternehmen rund um das Thema Sauna – hat einen Zertifizierungsprozess für die „authentische Finnische Sauna“ entwickelt. Die Organisation bietet standardisierte Programme, Schulungen und Unterstützung an, um die original finnische Idee der Sauna anderenorts umzusetzen und zu leben.
Zum neuen Sauna-Bewusstsein hat auch beigetragen, dass die UNESCO die finnische Saunakultur 2020 zum immateriellen Weltkulturerbe erhoben hat. Die Sauna sei „untrennbarer Bestandteil des Alltags und der Feiern, des Wohlbefindens und der Lebensweise“, betonte bei der Eröffnung des Sauna Forums ein Sprecher des finnischen Außenministeriums.
Sauna als demokratischer Ort
Für die Aufnahme in das Verzeichnis musste Finnland sich verpflichten, für den Fortbestand der Original-Saunatradition zu sorgen und seine Bedeutung für das Brauchtum, das Wohlbefinden und die Demokratie hervorzuheben.
Denn die Sauna ist der vielleicht demokratischste Ort. Mit der Kleidung und dem Schmuck entledigt man sich zugleich allem, was einen sonst unterscheiden mag. Titel, Rang, Beruf, Herkunft – all das spielt in der Sauna keine Rolle. Hier ist jeder gleich. Und gleich viel wert. Diese Gleichheit hat zugleich ein verbindendes Element.
Trends
„Die Sauna wird in der ganzen Welt auf vielfältige Weise verstanden. Die finnische Sauna erfreut sich zunehmender Beliebtheit und fasziniert Entscheidungsträger, Unternehmer, Forscher und Medien im Wellness-Bereich. Die internationalen Unternehmen wollen das finnische Saunaerlebnis nun ihren Kunden überall auf der Welt nahe bringen“, sagt Carita Harju, die Geschäftsführerin von Sauna from Finland, die das Welt Sauna Forum organisiert.
„Unser Ziel ist es, das finnische Saunaerlebnis in der ganzen Welt bekannt zu machen und es zu einem glaubwürdigen Exportprodukt auszubauen“, so Harju.
Dabei werden drei Phasen unterschieden, die jede ihre Besonderheiten und Bedeutung hat: vor der Sauna, in der Sauna, nach der Sauna.
Großen Wert legen die Finnen darauf, dass Saunieren in Finnland nichts mit sexualisierten Vorstellungen zu tun hat. Nackt in die Sauna geht man üblicherweise nur im privaten Kreis, öffentliche Saunen sind meist nach Geschlechtern getrennt. In gemischt öffentlichen Schwitzhäusern trägt man Badekleidung – aus Rücksicht auf die, die sich mit der Nacktheit unwohl fühlen könnten.
Auch sucht man Regelwerke und Uhren in einer finnischen Sauna vergeblich. Die einzige Regel in dem Land der Mitternachtssonne und der 100.000 Seen lautet: Jeder soll sich wohlfühlen. Und da jeder Hitze und Dampf unterschiedlich empfindet, gibt es auch keine zeitlichen Empfehlungen. Jeder kann kommen und gehen, Hauptsache er hört auf seinen Körper und dessen Signale.
Finnland sitzt auf einer Goldmine
Martin R. Goldmann, Pionier des Spa- und Wellness-Designs und Gründer von ASPA International mit Sitz in Portugal, geht noch einen Schritt weiter. Sauna sei das bestgehütete Geheimnis Finnlands.
Sauna sei der wichtigste Teil eines Spa-Erlebnisses und die Finnische Sauna eine ausbaufähige Marke. Sie reduziere die Gesundheitskosten, habe zahlreiche Vorteile und sei wichtiger Bestandteil für Tourismus und Export. Das bringt ihn zu dem Schluss: „Die Finnen haben jahrhunderte lange Erfahrung mit der Sauna. Damit sitzt Finnland auf einer Goldmine“.
Lovedoctor und Liebeshormone
Sauna ist die Apotheke des armen Mannes, sagt man in Finnland. Das Wissen um die gesundheitsfördernden Aspekte ist den Finnen seit alters her bekannt, mittlerweile ist vieles von dem auch durch wissenschaftliche Studien belegt.
Regelmäßiges Saunieren reguliert unter anderem den Blutdruck, ist moderates Kreislauftraining, senkt den Stresslevel und verbessert Haut und Schlaf. Dass Saunieren nicht nur gesund ist, sondern glücklich macht, diese These vertritt Emilia Vuorisalmi, in Finnland besser bekannt als „Liebesdoktorin“.
„Sauna setzt dieselben Hormone frei wie Verliebtsein“, sagte Vuorissalmi auf dem Sauna Forum. Das Hormon-Trio Dopamin, Serotonin und Oxytocin, das bei frisch Verliebten dieses Auf-Wolke-7-Schweben-Gefühl herbeizaubert, wird nämlich auch beim Schwitzen in einer finnischen Sauna ausgeschüttet.
„Sauna ist ein Tor zur Liebe. Sauna gibt uns Freude, Sinnhaftigkeit, Sicherheit, die Magie des Moments und das Gefühl von Dankbarkeit. Sauna verbindet uns mit uns selbst und mit anderen. Es ist eine ganzheitliche Erfahrung. Und wir Finnen sollten diese Botschaft in die Welt tragen“, sagt die Medizinerin Vuorisalmi, deren Bücher in Finnland Kultstatus haben.
Taxifahrer Joukko aus Helsinki sagt es kürzer: Eine Sauna am See ist unbezahlbar. Damit meint er nicht die auch in Finnland gestiegenen Immobilienpreise, sondern dass das Gefühl, nach der Sauna entspannt, glücklich und zufrieden an einem See zu sitzen, mit keinem Geld auf der Welt aufgewogen werden kann. Und das ist nicht übertrieben. Die Finnen empfinden das so.
Vielleicht ist das der entscheidende Punkt, warum Finnland laut UN-Glücksreport zum fünften Mal in Folge das glücklichste Land der Welt ist.
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