Zweitälteste Stadt Finnlands, ein Muss für Feinschmecker und Slow traveller
Ein Besuch in Porvoo – Fotoreportage
Porvoo ist beladen mit Geschichte, kulinarischen Köstlichkeiten, gemütlich-malerischer Idylle mit romantischen Winkeln. Ideal für entspannte und genussvolle Urlaubstage und voller Anziehungskraft für Künstler und Köche.
Porvoo liegt an der Königsstraße – sozusagen der Autobahn der mittelalterlichen Zeit. Reisende von Stockholm nach St. Petersburg kamen hier vorbei, legten eine Rast ein und nahmen Handelsware auf.
Denn Porvoo war seit dem 13. Jahrhundert wichtiges Handelszentrum, die Küste und das Meer nicht weit. Davon zeugen bis heute die alten Lagerhäuser entlang des Flusses – heute Wahrzeichen der Stadt. Die roten Speicher sieht man am Besten von der Brücke aus, die ins Zentrum führt, oder vom gegenüber liegenden Ufer.
Zaghaft zeigen sich erste Blüten an Fliederbäumen. Neugierige Gänseblümchen am Wegesrand und Osterglocken zumindest in Töpfen vor den Fenstern. Nordwind lässt 8 Grad noch ein wenig kälter erscheinen. So richtig Sommer ist es noch nicht in Porvoo. Aber die Einwohner bereiten schon mal alles vor. Die Sonnenschirme stehen bereit auf den kleinen Holzterrassen. Und dank der Mitternachtssonne kommt der Sommer schon bald mit großen Schritten und verheißt laue helle Abende im Freien.
1346 bekam Porvoo vom damaligen schwedischen König Magnus Eriksson die Stadtrechte und ist somit nach Turku zweitälteste Stadt Finnlands.
Pelze und Teer machten Finnland damals für Kaufleute attraktiv. Teer wurde gebraucht, um die Fugen von Handels-, aber auch Kriegsschiffen abzudichten.
In den russisch-schwedischen Kriegen im 18. Jahrhundert wurde die finnische Südküste zum umkämpften Gebiet. Die Menschen litten unter nachfolgenden Hungersnöten, Porvoo wurde mehrfach geplündert und niedergebrannt. Der letzte große Brand war 1760. Angeblich hatte jemand seine Fischsuppe auf dem Herd vergessen.
Seitdem mussten öffentliche Gebäude in Porvoo aus Stein gebaut werden. Porvoo ist mit knapp 50.000 Einwohnern auch Bischofssitz. Der alles überragende Dom ist das älteste Gebäude in ganz Finnland.
Der Organist übt gerade und erzeugt dabei unwissend eine ganz besondere Stimmung für uns. Massive Kronleuchter hängen schwer über dem Mittelgang, an dessen rechter Seite der russische Zar Alexander I. verewigt ist. Er, der Porvoo 1809 für wenige Wochen zur wichtigsten Stadt Finnlands werden ließ, als er hier die erste finnische Reichstagsversammlung abhielt und den Finnen von hier aus als russisches Großherzogtum weitreichende Autonomierechte zugestand.
Der Dom geht in Teilen auf die Zeit um 1410 zurück. 2006 wurde er durch ein Feuer teilweise zerstört, der ursprüngliche Zustand anschließend wieder hergerichtet.
Und während man über das holprige Kopfsteinpflaster der Altstadt schlendert, meint man fast, das Klappern von Pferdehufen und Poltern hölzerner Wagenräder hören zu können.
Die Dachböden der alten Salzlager am Porvoonjoki (joki = Fluss) retteten Werkzeuge und Gegenstände aus alter Zeit, die heute als hübsche Dekoration in den Lagerhäusern zu finden sind, die zu urigen Kneipen und Restaurants umgebaut und so zu neuen Treffpunkten am Fluss geworden sind. Zweisprachige Treffpunkte übrigens, denn ein Drittel der Einwohner ist schwedisch-sprachig.
Das Rathaus ist das älteste in ganz Finnland, heute Museum und steht direkt am zentralen Rathaus- beziehungsweise Marktplatz. Die Zeit wird hier eingeteilt in vor und nach dem Brand. Die niedrigen Holzhäuser drum herum stammen alle aus der Zeit nach dem verheerenden Großbrand. Dennoch haben sie sich ihren mittelalterlichen Charme bewahrt – so bunt und aneinander gekuschelt, wie sie in den engen Gassen stehen, die teilweise steil bergauf und bergab gehen.
Ein bisschen Puppenstuben-Feeling überkommt einen da schon. Heute finden sich darin kleine Läden, die lokale selbst gemachte Produkte anbieten, Design-, Handarbeits- und Kunstläden, die Lust machen aufs Stöbern und Trödeln. 700 Menschen leben hier im Zentrum, das rund 250 alte Holzhäuser beherbergt.
Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Zeit einen kleinen Tick langsamer verstreicht. Der eigene Gang wird unmerklich langsamer, der Alltag ferner und man taucht ein in gute alte Zeiten, als noch Zeit war, um Brot und Kuchen selber zu backen und weiße Spitzendeckchen zu häkeln.
Porvoo ist putzig, malerisch, ein wenig verträumt und vielleicht genau deswegen die richtige Adresse in unserer hektischen, unsicheren Welt. Eine kleine, heile Welt mit Blumenkübeln vor den Hauseingängen, Kränzen an den Türen, liebevoll dekorierten Fenstern und stilvollen Terrassencafés, um auszuspannen, abzuschalten und aufzutanken.
Nicht erst seit heute ist Porvoo Anziehungspunkt für viele Künstler. Schon im 19. Jahrhundert lebte der berühmteste Sohn der Stadt hier: der finnische Nationaldichter Johann Ludvig Runeberg, der den Text für die finnische Nationalhymne schrieb.
Zu seinen Ehren wird alljährlich der Runeberg-Preis verliehen und jedes Café, das etwas auf sich hält, hat den berühmten Runeberg-Kuchen in der Auslage.
Aber auch der Bildhauer Ville Vallgren und der Maler Albert Edelfelt wirkten hier.
Irgendwas muss hier in der Luft sein, denn heute weist Porvoo nicht ohne Stolz den höchsten Anteil an Künstlern in ganz Finnland auf, gemessen an der Einwohnerzahl. Die übrigens seit Jahren steigt. Ein neuer Hotspot für Künstler und Designer.
Auch Päivi Mikola hat hier ihren Herzensort gefunden. Die Uniprofessorin für Architektur lebte und lehrte über 30 Jahre lang in Oulu, bevor sie diesen Platz fand. „Ich verliebte mich in dieses Haus,“ sagt Päivi, das sie „slow house“ nennt. Das kleine Drei-Zimmer-Häuschen ist Wohnung, Arbeitsplatz und Ausstellungsraum in einem.
„Ich wollte nicht nur Lehrer sein. Ich wollte meinen Teil dazu beisteuern, Friedfertigkeit in die Welt zu bringen.“
Schaukelstühle gehören zum finnischen Alltag wie Sauna oder Lakritz. Immer schon. Päivi hat die Idee in die Neuzeit übersetzt. Schaukelstühle aus Holz, nicht größer als Bürostühle, die also überall hin passen, einen sanft wiegen und mit ihren dreieckigen Rundungen tatsächlich etwas sehr Friedfertiges aber auch moderne Leichtigkeit ausstrahlen.
Porvoo ist eigentlich die Altstadt von Helsinki, so nah liegen die beiden Städte aneinander, sagen die Einwohner Porvoos. Und aus ihrem Mund hört man zwar das kleine Augenzwinkern, aber noch mehr klingt es nach einer schlichten, aber ernst gemeinten Tatsache.
Vom Flughafen Helsinki-Vantaa ist es tatsächlich nur eine halbe Stunde mit dem Bus bis in die malerische Altstadt, die unter Denkmalschutz steht.
Ein Tagesausflug ist da schon beinahe Pflicht, den man dann gut und gerne kulinarisch ausklingen lassen kann, denn Porvoo hat neben der Kunst auch eine aufstrebende Restaurant- und Food-Szene: Zum Beispiel das „Zum Beispiel“. So heißt das Lokal des nach Finnland ausgewanderten Kochs Georg Simojoki. Er ist vor 20 Jahren der Liebe wegen nach Porvoo gekommen.
„Wir wollten ein neuartiges Konzept auf den Markt bringen, bei dem nicht die Hälfte des Preises in Service, Tischdecken etc. versinkt, sondern wo die Kunden mitmachen in unserem „Wohnzimmer“, um so ein Maximum an Resourcen für hochqualitative Produktion und Zutaten zur Verfügung zu haben. Außerdem wollte ich nette Menschen um mich herum haben, die meine Vision verstehen und auch irgendwie ein familiäres Gefühl auf dem Arbeitsplatz haben wollten.“
Tatsächlich fühlt man sich wie bei Freunden. Man schneidet sich selbst das Brot, holt sich Besteck und ein Glas Wasser und kann dabei der Mannschaft beim Werkeln in der offenen Küche zusehen.
An Porvoo schätzt der 49-jährige vor allem die Mischung aus schwedisch und finnisch-sprechenden Menschen, die vielen Kleinproduzenten, die auf dem Markt ihre Waren feilbieten, den Fluss und die Schärenwelt.
Neben der Weihnachtszeit mit all den Lichtern und dem Schnee ist seine Lieblingsjahreszeit der Sommer: „Überall sitzen Leute auf den Terrassen, essen, trinken, genießen das Leben und man denkt, man ist irgendwo in Italien.“
TEXT und FOTOS von Tarja Prüss
Tipps und Infos
Wie kommt man nach Porvoo: Mit dem Bus: Busverbindungen von Helsinki nach Porvoo im 10-20 Minuten Takt. Schnellste Verbindung vom Zentrum der Hauptstadt dauert 50 Minuten und kostet 8-9 Euro. Vom Flughafen Helsinki-Vantaa: 30 Minuten. Mit dem Auto: über die Autobahn E 18 oder romantischer über die alte Königsstraße. Mit dem Zug: Im Sommer fährt ein musealer Dampfzug von Kerava oder Hinthaara. Mit dem Schiff: verschiedene Anbieter fahren täglich von Helsinki nach Porvoo, darunter auch das über 100 Jahre alte Schiff M./S. J.L. Runeberg. Touristinfo: https://www.visitporvoo.fi |