Schneeschuhwandern, Radfahren und Skiwandern
Ein Wintertag im Nationalpark Pallas Yllästunturi in Lappland
von Tarja Prüss
Es ist 8 Uhr morgens, das Thermometer zeigt -12 Grad. Milde Temperaturen für einen Wintermorgen in finnisch Lappland. Die Luft riecht nach Kälte und Schnee und ist zugleich so unfassbar rein wie die Unschuld im Märchen. Der noch dunkle Morgen wird durch den Schnee allerorten ein wenig aufgehellt. Wir befinden uns im Nationalpark Pallas Yllästunturi, 200 Kilometer nördlich des Polarkreises.
Auf Wanderskiern wollen wir den Park erkunden. Markus Rask von Elämänluukku Ylläs zeigt uns die Besonderheiten dieser breiten Skier, die das Wandern querfeldein im Tiefschnee ermöglichen und durch ihre fellartige Struktur auf der Unterseite auch das Erklimmen von Steigungen zu einer spielerisch leichten Übung werden lassen sollen.
EINTAUCHEN IN DEN WINTERWUNDERWALD
Der Nationalpark ist nicht nur der älteste in Finnland (gegründet 1938), sondern auch der beliebteste. Vergangenes Jahr verzeichnete er 450.000 Besucher. Mit 1.000 Quadratkilometern ist er zudem der drittgrößte der insgesamt 39 Nationalparks in Finnland. Anlässlich der 100-jährigen Unabhängigkeitsjubiläums Finnlands in diesem Jahr wird mit Hossa (unterhalb von Kuusamo im Nordosten des Landes) im Sommer der 40. Nationalpark eröffnet.
Wir starten vom Besucherzentrum Kellokas und sind schnell mitten in den borealen Nadelwäldern. 400 Jahre alt sind manche dieser Bäume. Angesichts der arktischen Bedingungen wachsen sie nur sehr langsam. „Der Winter ist eine harte Zeit für sie,“ sagt Pekka Sulkava, oberster Hüter des Nationalparks.
Die Stämme sind weiß gefroren und müssen hunderte Kilo schwere Schneelasten tragen. So mancher Baum, insbesondere manche der schlanken Birken müssen sich da der Last beugen. Ergeben sich schließlich und senken ihre Kronen bis zum Boden. Ob sie die Kraft haben werden, sich im Frühjahr wieder langsam aufzurichten, weiß nur der Wind.
Der hat in den letzten Wochen jedoch den meisten Schnee von den Ästen geweht und so blitzt hier und da das Grün der Fichten und Kiefern hervor. Wie Lamettafäden hängen Flechten an den Bäumen dieses Zauberwaldes. Indikatoren für besonders saubere Luft, denn schon geringe Mengen Schwefeldioxid vertragen sie nicht und auch bodennahes Ozon würde ihnen zu schaffen machen.
UNBERÜHRTE NATUR UND SCHEUE WESEN
Der Schnee hat die Landschaft zugedeckt, als hätte jemand vom Himmel aus Sahne über sie ausgegossen. Ein butterweicher Teppich, der alles zudeckt, neue Formationen zaubert und manches erst herausarbeitet, was man sonst nicht gesehen hätte.
Eine seltsame Magie geht von dieser auf den ersten Blick unaufgeregten Landschaft aus. Sie nimmt einen gefangen, verzaubert unmerklich und lässt einen tief durchatmen. Relaxen und entschleunigen passiert hier fast nebenbei.
„Wir haben den saubersten Schnee und die reinste Luft in Europa,“ erzählt mir mit einem Strahlen im Gesicht Ritva Saarensalmi vom Naturzentrum Pallas Yllästunturi, eins von insgesamt drei Besucherzentren des Nationalparks. „Wenn der erste Frost kommt, manchmal schon im Oktober, dann freuen wir uns auf den Winter.“ Die Einwohner Lapplands haben gelernt, mit den widrigen arktischen Bedingungen zurecht zu kommen.
Genauso, wie die 150 verschiedene Vogel-Arten, die hier zuhause sind. Aber auch Elche, Luchse, Wölfe und Bären leben hier. Selbst wenn man sie selten bis gar nicht zu Gesicht bekommt, denn es sind scheue, wilde Artgenossen, die keinen Wert auf menschliche Begegnungen legen. Auf hunderten Kilometern Wanderwegen kann man die unberührte Natur hier erkunden. Hinzu kommen 350 Kilometer Langlaufloipen und Dutzende kleine Holzhütten, in denen man übernachten kann. Manche sogar mit Sauna.
Und wie überall in Finnland gilt das Jedermannsrecht. Das Recht, sich überall in der Natur frei bewegen zu dürfen, unabhängig davon, wem das Land gehört. Gleichzeitig schließt es die Forderung ein, keinen Schaden anzurichten, Natur oder Mitmenschen zu schädigen oder zu stören. So darf man im Sommer Beeren und Pilze sammeln, wo immer es einem beliebt und auch mal eine Nacht sein Zelt aufstellen.
RADELN IM TIEFSCHNEE
Relativ neu ist hier oben im Norden die Möglichkeit, mit Fatbikes den Park zu erkunden. Die Fahrräder mit den dicken, pummeligen Reifen verhindern allzu tiefes Einsinken und sorgen für sicheren Halt. Hier empfiehlt es sich allerdings, auf den ausgewiesenen Wegen zu bleiben, sonst säuft man schnell im Tiefschnee ab, der hier locker bis zur Hüfte reicht.
Das Radfahren im Schnee macht richtig Laune und so sind wir in der richtigen Stimmung, um einen der sieben Fjells (tunturi auf finnisch) mit den Schneeschuhen zu erobern.
Dirk, einer der Guides, zeigt uns den Weg. Kreuz und quer, rauf und runter geht es durch den endlos scheinenden Wald. Und die letzte Steigung verschafft so manchem von uns ein unverhofftes Schneebad. Doch oben werden wir belohnt mit einem großartigen Ausblick auf die borealen Nadelwälder und die sanften Erhebungen. Überreste der urzeitlichen Gebirge aus der letzten Eiszeit.
Der Abstieg ist dann sehr viel leichter, wir nehmen einfach die Abkürzung und sausen auf dem Hosenboden direkten Weges abwärts.
Am nächsten Tag steigen wir um auf die traditionellen Fortbewegungsmittel: Schlitten, entweder motorisiert oder gezogen von Rentieren oder Huskies. Bis heute leben ja mehr Rentiere als Menschen im Norden Finnlands.
Gemächlich geht es so im Tross von einem halben Dutzend Rentierschlitten, gezogen von jeweils einem Rentier mit mächtigem Geweih, durch den Wald. Doch die fast gedrungen klein wirkenden Rentiere können mächtig Speed machen, sinken mit ihren weichen Hufballen kaum ein und wirbeln einigen Schnee auf. Eine unverhoffte Schneedusche der besonderen Art.
Noch schneller gehts mit Motorschlitten durch die Nacht, über zugefrorene Seen auf der Jagd nach Polarlichtern, oder mit Huskies durch die Schneelandschaften, die immer nur einen Schritt entfernt, quasi schon vor der Haustür warten. Sechs Huskies ziehen jeweils einen Schlitten mit zwei Personen, einer sitzend, einer auf den Kufen stehend und lenkend. Die Hunde genießen die Kälte und den Geschwindigkeitsrausch sichtlich und drehen sich jedes Mal mit vorwurfsvollem Blick zu mir um, wenn ich auf die Bremse steige, um nicht auf den Vordermann aufzufahren.
Bis das Abendessen fertig ist, vertreiben wir uns noch die Zeit damit, Schneemänner und -frauen zu bauen und freuen uns dann auf die abendliche Sauna, um den erlebnisreichen Tag an der frischen Luft entspannt ausklingen zu lassen. Und wer weiß, vielleicht wagen wir einen kurzen Sprung in den eiskalten See. Wer hat noch gesagt, die spinnen, die Finnen? Avantouinti nennen sie das: Winterschwimmen. Für sie der ultimative Kick. Nach der Sauna in ein Eisloch hüpfen, den kurzen Schock genießen und sich danach wie neu geboren fühlen.
Danach schläft man so gut wie lange nicht – und lässt sich ins Lapp-Land der Träume entführen. Träume von weißen Eis- und Schneelandschaften, flinken Rentieren und der Hoffnung auf Polarlichter.
Viele Geschichten warten noch darauf, erzählt zu werden.
INFOS Lappland: www.visitfinland.com/de/lappland-finnlands-norden/ Wintersportregion Ylläs: www.yllas.fi Nationalpark Pallas Yllästunturi: www.nationalparks.fi/pallas-yllastunturinp Naturzentrum Kellokas: www.nationalparks.fi/yllastunturivisitorcentre |
ÜBERNACHTUNGSMÖGLICHKEITEN Apartement mit Küche und Sauna: Yllästar 3, Äkäslompolo http://bit.ly/2nB2HbN Ferienhäuser: http://www.yllaksenmatkailu.fi/en?siteName=ffyllas Hotels: Aurora Estate auroraestate.fi/en/ Harrivina Hotels & Safaris: www.harriniva.fi/de/ Übernachten im Glasiglu: www.harriniva.fi/en/destinations/torassieppi/aurora-glamping |
NEUE FINNISCHE KÜCHE: WILD FOOD
Restaurant Sarakka: www.pihvikeisariyllas.com/sarakka-in-english
Aurora Estate: auroraestate.fi/en/
Restaurant Torasieppi: harriniva.fi/en/loader.aspx?id=95a83f66-859a-4b89-a3ac
AKTIVITÄTEN
Rentierschlittenausfahrt: www.harriniva.fi/en/destinations/torassieppi
Huskyschlittenausfahrt: www.wildmotion.fi
Eisfischen: keimionkoukkaus.nettisivu.org
ANREISE
Mit Finnair von München, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt oder Hamburg nach Helsinki
Von Helsinki nach Lappland: 3 Flughäfen zur Auswahl: Kittilä, Rovaniemi, Ivalo
LEIHGEBÜHREN
Schneeschuhe: 15 Euro pro Tag
Langlaufskier: 20 Euro pro Tag
Fatbikes: 35 Euro po Tag
Die Reise fand auf Einladung von Visit Finland und Finnair statt.
TEXT und FOTOS von Tarja Prüss
Über die Autorin: Tarja Prüss ist Radio- und Fernsehjournalistin. Sie ist eine Kennerin und Liebhaberin Finnlands, ihr Reisebuch-Bestseller „111 Gründe, Finnland zu lieben“ ist eine Liebeserklärung an das Land ihrer Mutter. Die passionierte Fotografin hat dem schönen Land ein Blog gewidmet: tarjasblog.de.