Ein Land in Wartestellung
Islands Tourismus in Coronazeiten
Der Tourismus in Island hatte sich nach der Finanzkrise der Jahre 2008 bis 2011 zu einem echten Wirtschaftstreiber für das Wachstum des BIP entwickelt. Der Ausbruch des Eyjafjallajökull im Jahre 2010 schob das krisengebeutelte aber schöne Land in die Mitte des weltweiten Medieninteresses, die Besucherzahlen wuchsen daraufhin von Jahr zu Jahr exponentiell.
Bereits vor der Coronakrise, im letzten Jahr, litt die Tourismusbranche an rückläufigen Touristenzahlen. Hotelbuchungen gingen um 2% zurück, Airbnb-Buchungen um 5%. Zuvor hatte noch die Reisebranche das produzierende Gewerbe und die Fischerei von Platz zwei in der BIP-Rangliste verdrängt, ein Novum in der Wirtschaftsgeschichte des Eislandes.
Am Rückgang des Tourismus waren die Pleiten zweier Billigfluggesellschaften als ursächliche Gründe auszumachen. Primera Air und WOW gingen kurz nach einander in die Insolvenz.
Inzwischen investierten Unternehmen in mehr Hotelbetten, Privatpersonen kauften Wohnungen, um sie als Feriendomozil anzubieten. Das Hotelbetten-Angebot stieg 2019 um 9%, ihre Auslastung ging von 53% auf 50% zurück.
Nachdem sich die Investoren langsam Sorgen um ihr Geld machten, und wohl dachten, schlimmer könnte es nicht kommen, kam es noch schlimmer: Die Coronakrise brachte die Weltwirtschaft zum Schrumpfen. Island traf es besonders hart. Isländische Wirtschaftsweise nannten die Krise „die größte seit dem Zweiten Weltkrieg“. Doch während produzierendes Gewerbe und Handel weiterhin aktiv sind, kommt die Tourismusbranche nahezu zum völligen Stillstand.
Nach den heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Amtes Islands, verzeichnete der Flughafen in Keflavík im Monat März lediglich 96 Tausend Passagiere, ein Rückgang um 55% im Vergleich zum Vergleichsmonat des Vorjahres.
Die Zahl der isländischen Passagiere ging um 64% zurück, die Zahl der ausländischen Reisenden um 53%, von 170 Tausend auf 80 Tausend.
Auch die Statistik der Übarnachtungszahlen leidet entsprechend unter dem versiegenden Zustrom von Touristen. Die Auslastung der Hotels lag lediglich bei 25%, im März vergangenen Jahres lag diese noch bei rund 57%.
Der Verkehr auf dem sogenannten Golden Circle Islands, an dem viele beliebte Natursehenswürdigkeiten des Landes liegen, ging um 31% zurück, wie die Verkehrszähler melden.
Gegenüber der größten isländischen Tagesdzeitung, Fréttablaðið, sagte Gustaf Steingrímsson, Volkswirt bei der Landsbanki: „Die Reisebeschränkungen entzogen den Hotels und anderen Tourismusunternehmen ihre wirtschaftliche Grundlage.“
„Das Dienstleistungsniveau in der Tourismusbranche wird vorübergehend reduziert werden. Das bedeutet auch, dass wir einige Zeit brauchen werden, um das alte Niveau der Einnahmen aus ausländischem Fremdenverkehr wieder zu erlangen.“
Er hoffe, dass die Isländer, die im vergangenen Jahr 10% aller Touristen im Land ausmachten, in diesem Jahr öfter und mehr Urlaub in der Heimat machten, um den Schaden in der Tourismusbranche wenigstens etwas abzufedern.
Klingt wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde, doch darin spielt die berechtigte Hoffnung mit, dass Island auch aus dieser Krise gestärkt hervorgehen kann.
ap