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Von der Ostsee zur Sprache

Warum der Begriff Baltikum in die Irre führt

Donald Trump zog einst Gelächter auf sich, als er Baltikum und Balkan verwechselte. Doch für viele wirkt der Begriff „baltisch“ tatsächlich eher vage. Zur Geschichte eines jungen Wortes.

Was bedeutet Baltikum? Definition
Der Tahkuna-Leuchtturm auf Hiiumaa, Estland. Das liegt im Baltikum. Was aber bedeutet der Begriff Baltikum, und warum waren die ersten Balten Deutsche? (Foto: anry / depositphotos.com)

Einleitung: Baltikum

Zu Zeiten von Donald Trumps Präsidentschaft waren internationale Politiker so manchen Fauxpas gewohnt. Trotzdem dürften die Staatsoberhäupter Estlands, Lettlands und Litauens mehr als verwundert gewesen sein, als sie 2018 gemeinsam nach Washington reisten.

Am Rande eines Treffens soll der damalige US-Präsident die drei Staatschefs auf ihre Verantwortung im Jugoslawienkrieg angesprochen haben, wie unter anderem Le Monde berichtete. Trump hatte offensichtlich das Baltikum mit dem Balkan verwechselt.

Was sich rückblickend wie eine der zahlreichen amüsanten Anekdoten über den damaligen US-Präsidenten liest, ist auch in Deutschland keine Seltenheit. Warum gilt Estnisch nicht als baltische Sprache, wenn doch Estland zu den baltischen Staaten zählt? Wer mit dieser Region nur selten in Berührung kommt, blickt da schnell nicht mehr durch. Was ist denn nun eigentlich baltisch?

Mare Balticum – Das Meer gab den Namen

Ostsee Baltikum
Stürmische Ostsee bei Liepaja, Lettland. (Foto: janka / depositphotos.com)
Wer heute von Balten spricht, meint damit die Einwohner Estlands, Lettlands und Litauens. Das war nicht immer so. Der Begriff selbst ist zwar jung, hat in den letzten 150 Jahren aber gleich mehrfach seine Bedeutung geändert. Zu seinem Ursprung gibt es verschiedene Theorien. Sie alle verweisen zunächst auf den lateinischen Namen der Ostsee: Mare Balticum, also das baltische Meer, wie die See in zahlreichen Sprachen heißt. Zum ersten Mal tauchte dieser Name im 11. Jahrhundert in Adam von Bremens Hamburgischer Kirchengeschichte auf.

Darin, wie er zu diesem Namen der Ostsee kam, sind sich die Theorien uneins. Den zwei wichtigsten Hypothesen zufolge soll sich der Name aus dem Urskandinavischen oder Urbaltischen ableiten lassen. Die erstere weist auf das dänische Wort bælt zurück, das Gürtel bedeutet. Adam von Bremen, könnte damit auf die skandinavischen Meerstraßen hingewiesen haben. Die zweite Hypothese geht hingegen davon aus, dass sich die Stämme im Osten selbst als weiß bezeichneten. Für die Farbe steht noch im heutigen Litauischen das Wort baltas, beziehungsweise im Lettischen balts.

Wie genau das Meer zu seinem Namen kam, bleibt umstritten. Dass sein Name auf die Länder an seiner Ostküste überging, gilt jedoch als sicher. Im 18. Jahrhundert gelangten die Provinzen auf dem Gebiet des heutigen Lettlands und Estlands vom schwedischen Reich ins russische Zarenreich. Dort wurden sie aufgrund ihrer Lage bald umbenannt – zunächst als ostseeische und kurz darauf als baltische Gouvernements.

Die ersten Balten waren Deutsche

Wer sind die Deutsch-Balten?
Das Herrenhaus Palmse der deutsch-baltischen Familie von der Pahlen liegt im heutigen Nationalpark Lahemaa. (Foto: RAndrey / depositphotos.com)
Die Umbenennung der Gebiete machte aus der estnischen und lettischen Bevölkerung jedoch noch keine Balten. Es war vielmehr die deutsche Bevölkerung, die auf dem Gebiet lebte, die den Namen für sich annahm und sich selbst so nannte.

Mit Einsetzen der estnischen und lettischen Nationalbewegung wanderte der Begriff langsam zur nichtdeutschen Bevölkerung. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges beorderten die Nationalsozialisten die Deutschbalten schließlich „Heim ins Reich“. Seitdem verschwand der Begriff Balten zur Bezeichnung für Deutsche zunehmend aus dem Sprachgebrauch.

Litauen besaß aus historischen Gründen keine derartige deutsche Bevölkerung. Daher verstand man unter Balten zunächst nur Letten und Esten. Erst später erweiterte sich die Bedeutung des Wortes. In einigen Schriftstücken heißt es sogar, dass auch Finnland und Polen für einige Menschen als baltisch galten. Die heutige Vorstellung von baltisch für Estland, Lettland und Litauen entwickelte sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts.

Drei Staaten, keine Einheit

Lage Baltikum an der Ostsee
Die geographische Lage der drei baltischen Staaten. (Grafik: Furian / depositphotos.com)
Erst die Sprachwissenschaft macht einen Strich durch das allgemeine Verständnis von baltisch. Sie benennt so seit dem 19. Jahrhundert jenen Sprachzweig, aus dem das Lettische und Litauische sowie mehrere mittlerweile ausgestorbene Sprachen entstanden. Das Estnische hingegen zählt zu den finnisch-ugrischen Sprachen. Einer seiner nächsten Verwandten ist das Finnische. Estnisch ist damit zwar eine Sprache des Baltikums, aber keine baltische Sprache.

Im gleichen Jahrhundert entstand ein weiterer Begriff für die Region östlich der Ostsee, der in dieser Form nur im Deutschen existiert: das Baltikum. Er bezeichnet vorrangig das geografische Gebiet, gilt jedoch als umstritten. Estland, Lettland und Litauen unterscheiden sich kulturell, sprachlich und politisch deutlich. Während sich etwa die Sprachen Litauisch und Lettisch ähneln, teilen besonders Estland und Lettland enge geschichtliche Verknüpfungen.

Erst das 20. Jahrhundert einte die drei Staaten durch gemeinsame Erfahrungen, zum Beispiel von Eigenstaatlichkeit sowie von faschistischer und sowjetischer Besatzung. Der Begriff Baltikum impliziert eine Einheit, die in dieser Form nicht existiert.

Der Begriff baltisch ist also komplexer, als er auf den ersten Blick aussieht. Je nach Auffassung bezeichnet er entweder Estland, Lettland und Litauen, die Deutschbalten, die Ostsee oder einen Sprachzweig. Wann die drei Länder nun Baltikum oder baltische Staaten genannt werden, darüber diskutieren Experten und Laien nach wie vor. Für eines steht der Begriff jedoch nicht: den Balkan. Und das weiß nun hoffentlich auch Donald Trump.

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