„Zähler der Rechenschaftspflicht“ läuft
Rail Baltica entgleist: Kostenexplosion, Projekt um Jahre verzögert
Am Donnerstag befasste sich das lettische Parlament, Saeima, mit dem Zwischenbericht der Untersuchungskommission zur Umsetzung des Rail Baltica-Projekts, – und dieser ist übel ausgefallen.
„Der Zwischenbericht legt klar den Zeitpunkt offen, zu dem der Rail Baltica-Zug entgleiste“, erklärte Andris Kulbergs, Vorsitzender der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Rail Baltica-Projekt, auf der Saeima-Sitzung am 14. November, das berichtet das lettische Nachrichtenportal Delfi.lv.
Kulbergs betonte, dass die Ergebnisse der Kommission ein Lackmustest für das Ministerkabinett seien – ein entscheidender Moment, in dem die Regierung beweisen müsse, dass sie die von Ministern in den zuständigen Bereichen begangenen Fehler endlich erkennt, versteht und korrigiert, um die Öffentlichkeit nicht doppelt für die Versäumnisse zahlen zu lassen.
„Mit der Veröffentlichung des Zwischenberichts beginnt der Zähler der Rechenschaftspflicht zu laufen – und das gilt nicht nur für die politische Verantwortung, sondern für alle Minister der aktuellen Regierung“, unterstrich Kulbergs.
Die geschätzten Kosten für Rail Baltica in Lettland sind inzwischen von 1,97 Milliarden Euro auf 9,59 Milliarden Euro gestiegen.
Zwischenbericht mit Schlussfolgerungen
Der Vorsitzende der Untersuchungskommission betonte, dass der Zwischenbericht kein vollständiger Abschlussbericht ist. Dennoch sei man jetzt schon zu 13 Schlussfolgerungen gelangt.
Darunter sind die Gründe für die mindestens dreijährige Verzögerung des Projekts sowie die Verantwortung von Beamten des Verkehrsministeriums, Finanzministeriums, Wirtschaftsministeriums und der beteiligten Kapitalgesellschaften.
Er informierte die Abgeordneten über die Schlussfolgerungen der Kommission und wies auf eine Reihe ungelöster Fragen hin, wie zum Beispiel die unbegründete Geheimhaltung von Informationen, die Annahme, dass „Rail Baltica“ keine staatliche Verpflichtung sei, und weitere.
„Die Ergebnisse der Kommission und die festgestellten Unregelmäßigkeiten und Fehler sind von den Verantwortlichen bestätigt worden. Die Liste ist ziemlich lang. Auch das wird Bestandteil des Abschlussberichts sein“, sagte der Kommissionsvorsitzende laut Delfi.
„Gelbe Karte“ für das Projekt, aber konkrete Gesetze sollen abhelfen
Kulbergs wies auch darauf hin, dass der Zwischenbericht die erste „gelbe Karte“ bei der Bewertung des Fortschritts des Rail Baltica-Projekts sei, während der Abschlussbericht die zweite „gelbe Karte“ sein werde.
„Die Mitglieder der Kommission hoffen, dass der Abschlussbericht vom Ministerkabinett und vor allem von der Staatsanwaltschaft bei ihren Aktivitäten und Entscheidungen verwendet wird. Ich möchte Ihnen also versprechen, dass auch die Saeima etwas zu tun haben wird, denn die Untersuchungskommission wird konkrete Gesetzesinitiativen vorschlagen, die das Projekt Rail Baltica wieder auf den Weg bringen werden. Wir haben bereits vieles davon beschlossen und uns gemeinsam darauf geeinigt, dass wir, alle Mitglieder der Fraktionen, gemeinsam Änderungsanträge zum Gesetzesentwurf vorlegen werden, die die Überwachung und Entwicklung des Projekts deutlich verbessern werden“, betonte Kulbergs.
Die Saeima-Untersuchungskommission hat bisher 16 Sitzungen abgehalten und die Rail Baltica-Stationen am Flughafen Riga sowie den Hauptbahnhof besucht.
Die parlamentarische Untersuchungskommission wurde auf Antrag von 34 Abgeordneten am 13. Juni dieses Jahres von der Saeima eingesetzt. Ihr Ziel ist es, die Umsetzung des Rail Baltica-Projekts zu überwachen, Fehler aufzudecken und sicherzustellen, dass das Projekt für die Regierung höchste Priorität erhält.
Entscheidungen sollen transparent und rechtzeitig erfolgen, wobei nationale und öffentliche Interessen sowie wirtschaftliche und haushaltspolitische Auswirkungen berücksichtigt werden. Die Kommission ist für sechs Monate eingesetzt.