Urlaub in Litauen
Die unbekannte Küste: Ein Besuch in Klaipėda
Blauer Stahl ragt hinter dunklen Kieferkronen hervor. Die riesigen Hafenkräne von Klaipėda sind von einlaufenden Schiffen aus zuerst erkennbar. Bald darauf zeichnet sich der kilometerlange Sandstrand am Horizont ab. Wer kurze Zeit später an Land geht, erlebt eine moderne Stadt mit stolzer und umbruchsreicher Vergangenheit und einer prächtigen Gegenwart.
Aus der ehemaligen preußischen Provinzstadt Memel ist die dynamische litauische Hafenstadt Klaipėda geworden. Gäste finden hier eine einzigartige touristische Perle der litauischen Küste, ob für Städtetrip, Strandferien oder Aktivurlaub.
Ännchen und das kleine Berlin
Ein Gang durch die Altstadt zeigt die wechselvolle Geschichte Klaipėdas. In Litauens Tor zur Welt reihen sich neu und alt nahtlos aneinander: Am Flussufer laden Restaurants in umgebauten Speicherhäusern ein. Eine Ecke weiter trinken ältere Herren ihren Kaffee vor einem restaurierten Jugendstilhaus.
Im Hinterhof einer alten Werft plaudert derweil Klaipėdas Jugend bei bassreicher Musik, die aus den Boxen dröhnt. Ihr „kleines Berlin“ nennen die Einheimischen den Komplex von Bars und Street-Food-Ständen, der auf dem ehemaligen sowjetischen Werkgelände entstanden ist. All diese Facetten begegnen Reisenden in Litauens Hafenstadt innerhalb weniger Meter.
Ihren Rundgang durch die Altstadt beginnen die meisten am Theaterplatz (Teatro aikštė). Genauso zentral, wie er im Herzen der Altstadt liegt, ist er in der Stadtgeschichte verankert. Wo sich einst der historische Marktplatz befand, erstrahlt heute das Stadttheater im neuen Glanz. Über die Jahrhunderte hinweg blieb der Platz immer einer der Dreh- und Angelpunkte Klaipėdas.
Vor dem Theater erinnert ein Brunnen an einen der Söhne des alten Memel, den Dichter Simon Dach. Auf dem Brunnen thront das „Ännchen von Tharau“. Die Mädchenfigur geht auf ein Gedicht zurück, das Simon Dach seiner mutmaßlichen Jugendliebe zu ihrer Heirat widmete. Seit seiner Einweihung 1912 wich der Brunnen mehrmals großen Machtsymbolen. Erst 1989 kehrte das Ännchen auf Betreiben eines Vereins wieder an seinen Platz zurück.
Unterwegs auf der Luisen-Route
Simon Dach bleibt jedoch nicht die einzige Spur preußischer Geschichte, die man in Klaipėda erleben kann. Auch das 1893 eröffnete Hauptpostamt (Liepų g. 16) zeugt von der Vergangenheit der Stadt. Musikliebhaber sollten der Post an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag um 12 Uhr einen Besuch abstatten: Der Turm beherbergt eines von nur drei Carillons Litauens. Die Glockenspiele sind in Größe und Spielart etwa mit einer Orgel vergleichbar.
Einen der wohl geschichtsträchtigsten Orte Klaipėdas stellt das heutige Rathaus (Danės g. 17) dar: Im Januar 1807 wurde im damaligen Magistratsgebäude der englisch-preußische Friedensvertrag unterschrieben, kurz darauf verweilte auch der russische Zar Aleksander I im Haus. An der Ostseite des Gebäudes erinnert eine Plakette an eine der prominentesten Bewohnerinnen: Luise von Mecklenburg-Strelitz, besser bekannt als Königin Luise von Preußen. Auf der Flucht vor den Truppen Napoleons verweilte sie von 1807 bis 1808 in der Stadt.
Memel liegt nicht an der Memel
Klaipėdas Geschichte reicht jedoch weit über Königin Luise hinaus. Über die mittelalterlichen Wurzeln der Stadt informiert unter anderem das Burgmuseum (Pilies Muziejus). Im 13. Jahrhundert gründeten Ritter des Deutschen Ordens an diesem Ort eine Burg, die sie auf den Namen Memel tauften.
Der Name ging später auf die umliegende Stadt über, obwohl er geografisch in die Irre führt: Weder Burg noch Stadt liegen an der Memel, sondern am kurischen Haff. Da die Memel jedoch in das Haff fließt, sahen es die Gründer vermutlich als Verlängerung des Flusses an.
In den erhaltenen Festungsanlagen der Memelburg (Priešpilio g. 2) befindet sich heute eines der modernsten Museen der Stadt. Besucher können sich hier über alle Etappen der Stadtgeschichte informieren. Vom Mittelalter begleiten Museumsbesucher die Stadt Memel in die preußische Zeit.
Trotz des Aufschwungs, den die Stadt als Teil Preußisch-Litauens erlebte, kam sie aber nie aus dem Schatten Königsbergs hinaus. Später bildete Memel die nördlichste Stadt des Deutschen Kaiserreiches, behielt jedoch auch hier ihren provinziellen Status.
Die Ausstellung des Burgmuseums informiert ebenfalls über die französische Verwaltung des Memellands nach dem Ersten Weltkrieg sowie die Übernahme durch Litauen.
Laute Bombengeräusche kündigen im nächsten Ausstellungsgebäude das folgende dunkle Kapitel der Stadtgeschichte an: Die Nationalsozialisten erzwangen 1939 den Wiederanschluss des Memellands an Deutschland.
Im darauffolgenden Zweiten Weltkrieg erlitt die Stadt schwere Verluste. Über sechzig Prozent des Altstadtkerns wurden zerstört. Nach dem Krieg wurde Klaipėda zwar wieder litauisch, für die Bewohner folgten jedoch über vierzig Jahre sowjetischer Okkupation, die ihre Spuren nicht nur in der industriellen Infrastruktur und den Plattenbauten hinterließen. Noch heute erinnern sich viele Bürger der Stadt an die Zeit, in der ihnen der Zugang zum Meer verboten war.
Auf dem Fluss, dem Haff oder dem Meer
Viele Besucher zieht zweifelsohne Klaipėdas Nähe zum Wasser an. So erreicht man die Stadt nicht nur mit dem Zug aus Kaunas oder Vilnius, sondern auch etwa mit den Fähren aus Deutschland und Skandinavien. Für Segler stellt der litauische Hafen mittlerweile einen beliebten Anlegepunkt auf der Reise an der baltischen Ostseeküste dar.
Doch nicht nur das Meer und das kurische Haff sind in der Stadt auf Schritt und Tritt spürbar. Auch auf dem Fluss Dangė ziehen von früh bis spät Paddel-, Tret- und Ruderboote an den anliegenden Restaurantschiffen vorbei. Auf den Decks der umgebauten Segelschiffe und Fischkutter genießen Bewohner und Gäste der Stadt ihr Abendessen oder einen Drink. Im Sommer legen auch DJs auf den Steuerposten alter sowjetischer Kähne auf.
Einheimische sind sich sicher: Wer Klaipėda nicht vom Wasser betrachtet hat, hat die Stadt nicht gesehen. Bei einer Fahrt auf der Dangė offenbart sich nicht nur ein einzigartiger Blick auf die alten Speicher, sondern auch auf das Wahrzeichen der Stadt, das Segelschulschiff Meridianas (Kurpių g.).
Der in Finnland gebaute Dreimaster fuhr zwanzig Jahre lang als Segelschulschiff der sowjetischen Flotte zur See. Seit 1970 empfängt er als umgebautes Restaurantschiff Gäste zu maritimen Speisen.
Wer die Meridianas vom Wasser beobachten möchte, findet am Ufer der Dangė zahlreiche Anbieter für Bootsausflüge auf Fluss und Haff. Mit Tret- und Ruderbooten, im Kanu oder auf dem Stand-up-Paddle kann man die Dangė aber auch auf eigene Faust erkunden.
Wer sich nicht zu sehr verausgaben möchte, kann auch einen elektrischen Katamaran anmieten. Die modernen Boote fahren mithilfe eines Motors und werden über eine Fernbedienung gesteuert. Entlang des Hafens zieht man damit gemütlich an den anliegenden Schiffen vorbei. Wer es ruhiger mag, findet sich landeinwärts schnell im Grünen wieder.
Perfekte Strände in nächster Nähe
Kein Klaipėda-Urlaub ohne Besuch auf der kurischen Nehrung. Die Landzunge lockt mit langen Stränden, dichten Wäldern und malerischen Fischerdörfern. Seit 2000 steht sie auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes.
Auf den gut ausgebauten Strecken kann man den etwa 50 Kilometer langen litauischen Teil der Nehrung bequem per Fahrrad erkunden. Gekennzeichnete Wege sollten am besten nicht verlassen werden, denn im Nationalpark Kurische Nehrung stehen Pflanzen und Tiere unter strengem Naturschutz.
Auch Badeurlauber finden an einer Überfahrt von Klaipėda auf die Nehrung ihren Gefallen. Für ihre besondere Qualität wurden die Strände entlang der Nehrung mit der blauen Flagge ausgezeichnet, einem Gütezeichen für Badestrände.
Wer auch bei schlechtem Wetter das maritime Leben kennenlernen möchte, stattet dem Meeresmuseum (Smiltynės g. 3) auf der Nehrung einen Besuch ab. Das Museum beherbergt das größte Aquarium Litauens und begeistert mit seinen Ausstellungen nicht nur Kinder.
Vom Anleger der Fußgängerfähre in der Altstadt (Danės g. 1) erreicht man den Ort Smiltynė in wenigen Minuten. Tickets kosten nur wenige Euro und gelten für Hin- und Rückfahrt. Vom Fähranleger ist der Badestrand nur einen kurzen Spaziergang durch den Kiefernwald entfernt. Besonders für Kitesurfer lohnt sich ein Besuch im Frühjahr und im Herbst: Zu diesen Jahrzeiten treffen sie an der Küste auf bis zu vier Meter hohe Wellen.
Bernstein – das baltische Gold
Der Strandtag auf der kurischen Nehrung ist nicht nur für Wasserratten interessant. Mit etwas Glück und Ausdauer findet man am Strand mitunter Bernstein. Die kurische Nehrung gehört zu einem der häufigsten natürlichen Fundorte der Harzsteine in Europa. Wer nicht lange nach den golden glänzenden Brocken suchen möchte, kann in einer der örtlichen Galerien ein Andenken erstehen.
Eine der eindrucksvollsten Sammlungen in Klaipėda befindet sich in der Galerie Amber Queen (Turgaus g. 3). Besucher können dort nicht nur Bernsteinschmuck und -kunst kaufen. Im Museumsteil erfahren sie auch allerlei Interessantes über das Material und seine Verarbeitung.
In der Sammlung finden sich verschiedene bernsteinverzierte Gegenstände aus dem Lauf der Jahrhunderte – traditioneller Volksschmuck ebenso wie Plaketten aus der NS- oder Sowjetzeit.
Einige Bars in Klaipėda bieten nicht nur Bernstein für die Augen, sondern auch für den Gaumen: Die goldenen Harzsteine geben dem Bernstein-Wodka seine harzige, herbe Note.
Kleine Boote, lange Strände, Bernstein, alte Speicher, neue Viertel: Die litauische Küste bietet ihren Gästen Altbekanntes, Neues und Atemberaubendes. Bislang lag Klaipėda zwar bei Urlaubern häufig im Schatten großer Ostseemetropolen wie Riga und Danzig. Wer Halt in Klaipėda macht, wird diese Reise aber so schnell nicht mehr vergessen.
Weiterführende Info
Pilies Muziejus (Burgmuseum)
Priešpilio Str. 2, 91240 Klaipėda
mlimuziejus.lt/en/museum/castle-museum/
Lietuvos jūrų muziejus (Litauisches Meeresmuseum)
Smiltynės Str. 3, 93100 Klaipėda
muziejus.lt/en/aplankyti-muzieju
Galerie Amber Queen
Turgaus Str. 3, 91247 Klaipėda
Unser QUIZ zum Thema LITAUEN
Hallo Herr Knorn, nun mal Hand auf’s Herz: Sie waren doch niemals in Klaipeda, richtig? Ich kann noch nicht einmal sagen, daß ich richtiger Klaipeda- Experte bin. Aber ich weiß genug um Ihren Schrott- Bericht zu bewerten. Wie kann man soviel Unsinn (ab-) schreiben??? Nur 2 Dinge( es gibt noch mehr) Ihres unsäglichen Berichts hier kurz aufgeführt: 1.) Das Erste was man beim Einlaufen mit dem Schiff von weitem sieht sind nicht die relativ kleinen und schmalen Hafenkräne sondern die Skyline der Hochhäuser in Klaipeda, allem voran der „Pilsotas“- Tower mit 112 m und den beiden „K“ und „D“- Tower… Read more »
Sehr geehrter Herr Grießmann, wo anfangen? Fangen wir damit an: Sie irren sich, wenn Sie dem Autor unterstellen, er sei nicht dort gewesen. Herr Knorn ist in unserem Auftrag nach Klaipeda gereist und hat dort einige Tage verbracht, um die Gegend zu erkunden und zu recherchieren. Das sei hier versichert und verbürgt. Das historische Bild vom Hauptpostamt haben wir als Redaktion hinzugefügt, nicht der Autor. Die Bildunterschrift, die wir dem Text entnommen haben, passt tatsächlich nicht zum Gebäude aus den 1920er Jahren. Es war also unser Fehler, nicht der des Autors Das Gebäude der heutigen Zentralpost existiert sehr wohl und… Read more »
Vielen Dank für Ihre schnelle Reaktion, sollte „mein Ton“ unsachlich gewesen möchte ich das entschuldigen! Aber man sollte sich vor dem Einfügen von Bilder vergewissern ob Bild und Text zusammenpassen, oder? Wäre es nur das „Alte Post“- Bild gewesen hätte ich auch nichts gesagt, aber dann noch die Sache mit den „Hafenkränen“?! Das sind 2 Aspekte die vorne und hinten nicht stimmen. Da kommen dann schon mal Zweifel auf ob der Autor auch wirklich die Stätte besucht hat. Man sieht zuallererst, vor allem anderen, die von mir beschriebene Skyline der Hochhäuser von Klaipeda und nicht wie vom Autor beschrieben die… Read more »