Die heimliche Hauptstadt Litauens
Schönes Kaunas – die Stadt der zwei Flüsse
Das am Zusammenfluss von Nemunas und Neris befindliche Kaunas ist mit knapp 300.000 Einwohnern nach der Kapitale Vilnius die zweitgrößte Stadt in Litauen. Beide Städte trennen deutlich weniger als 100 Kilometer, wobei Kaunas im Vergleich zur etwas im Abseits bzw. grenznah zu Weißrussland gelegen Hauptstadt die deutlich zentralere Position einnimmt.
Den baulichen Beginn der Stadt markierte im 13. Jahrhundert die Errichtung der damals größten Festung im gesamten litauischen Bereich.
Die sich im Schatten des Schutzwalls rasch entwickelnde Zivilbesiedlung erhielt 1408 das Stadtrecht und etablierte sich in der Folgezeit als regionales Kulturzentrum und – dem örtlichen Hafen sei Dank – wichtiger litauischer Handelspartner in Richtung Westeuropa.
Die Bewohner von Kaunas haben bis heute eine Reihe guter Gründe, auf ihre Stadt stolz zu sein.
So zum Beispiel die Periode zwischen 1920 und 1940, als man infolge politischer Wirren im Anschluss an die (vorübergehende) Unabhängigkeit Litauens anstelle von Vilnius als Landeshauptstadt einspringen musste.
Der damals im Zentrum angelegte Laisves Boulevard zeugt mit Nachdruck vom zeitlos hohen Stellenwert der Stadt.
Wissenschaftlich, kulturell und lebensartlich steht Kaunas der nahe gelegenen Landeshautstadt im Grunde in nichts nach.
Es gibt die Universität, zahlreiche Museen, Theater, schöne Bars und Restaurants, die sehr schöne und zu weiten Teilen erhaltenen Altstadt – kurzum, es herrscht wahrlich kein Mangel an Sehens- und Erlebenswertem.
Hinzu kommt mit dem auf einer großen Insel im Nemunas gelegenen Stadtpark eine Art „grüne Lunge“ der Stadt, in der es sich auch abseits aller architektonischen Reize wohlfühlen lässt.
Nicht zu Unrecht heißt es, dass die Mischung in Kaunas schlichtweg stimmt. Interessierten Besuchern jedenfalls sollte es nicht allzu schwer fallen, sich mit dem allgemeinen Leben in Kaunas recht schnell anzufreunden.
Wissenswertes zur Stadtgeschichte von Kaunas
Eigentlich sind die Anfänge der litauischen Kulturstadt Kaunas militärischen Ursprungs. Denn erst nach dem Bau einer mächtigen Festungsanlage gegen Ende des 14. Jahrhunderts setzte am Zusammenfluss von Nemunas und Neris auch die zivile Besiedlung ein.
Der Erhalt des Magdeburger Stadtrechts und ein beträchtliches Bevölkerungswachstum machten Kaunas rasch zu einem äußerst perspektivreichen Wirtschaftsstandort.
Vor allem die Aufnahme in den Ostsee-Wirtschaftsverbund Hanse im Jahr 1441 stellte für Kaunas einen ökonomischen Meilenstein dar.
Die Vorzüge des örtlichen Hafens lagen durch den Anschluss an gleich zwei schiffbare Flüsse auf der Hand. Es entwickelten sich Handelsbeziehungen bis weit in den europäischen Westen hinein.
Der wirtschaftliche Erfolg öffnete in der Folgezeit auch anderen zivilisatorischen Strömungen Tür und Tor: Gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte Kaunas seine erste Schule, ein öffentliches Krankenhaus und andere infrastrukturelle Elemente zu bieten, die ihrer Zeit im Grunde deutlich voraus waren.
Zweifellos war Kaunas zu dieser Zeit die fortschrittlichste Stadt im gesamten litauischen Raum.
Es folgte jedoch eine Periode singulärer Ereignisse, die den bis dato nahezu ungebremsten Aufstieg der Stadt auf eine harte Probe stellten.
Militärische Angriffe durch russische (1655) und schwedische Truppen (1701) sowie Seuchen (u. a. 1708) und verheerende Brände (1731, 1732) sorgten auch im fortschrittlichen Kaunas für Hunger, Angst und Bevölkerungsrückgang. Lediglich 2.000 Einwohner hielten Kaunas damals die Treue.
Den vorerst letzten Akt stellte im Jahr 1812 der Feldzug Napoleons gegen Russland dar, dessen Truppen auf dem Weg Richtung Moskau in Kaunas über die Memel (= Nemunas) traten. Danach besserte sich die Situation deutlich, und Kaunas nahm wieder Fahrt auf.
Zu nennen sind vor allem die Eröffnung des Oginsky-Kanals, der von nun an die Flüsse Memel und Dnjepr miteinander verband und Kaunas neue wirtschaftliche Wege eröffnete.
Auch der Anschluss an die von Russland nach Deutschland reichende Eisenbahn (erbaut ab 1862) sollte sich für das Zentrum Litauens bezahlt machen.
Im 1. Weltkrieg verlor Kaunas vorübergehend seine Unabhängigkeit, um ab 1920 – die Polen hatten inzwischen Vilnius okkupiert – zur Hauptstadt Litauens zu werden.
Dies hatte einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung und einen beträchtlichen Anstieg der Bevölkerung auf rund 150.000 Menschen zur Folge.
1920 eröffnete die städtische Oper ihre Pforten, und ab 1922 lehrte die Vytautas-Magnus-Universität zu Kaunas als landeserste in litauischer Sprache. Zudem etablierte sich ab Mitte der 20er Jahre ein öffentliches Verkehrssystems. Doch der Aufschwung sollte ein weiteres Mal abruppt gestoppt werden…
Durch den 2. Weltkrieg zunächst erheblich in Mitleidenschaft gezogen, musste Kaunas sein Dasein die nächsten vier Jahrzehnte unter sowjetischer Vormundschaft fristen.
So gut wie alle Insignien der ehemaligen Unabhängig- und Fortschrittlichkeit der Stadt wurden während dieser Periode deinstalliert und in sowettypisches Einerlei umgewandelt.
Erst gegen Ende der 80er Jahre begann sich der politische Widerstand zu einer kraftvollen Bewegung zu formen, so dass beispielsweise Museen, Straßen und Monumente ihre angestammten Namen bzw. Bedeutungen zurück erhielten.
Was folgte, ist vielen Litauern bis heute stets im Bewusstsein geblieben: Nach einem militärischen Intermezzo russischer Truppen glückte Litauen 1991 der Weg in die Freiheit.
Kaunas revitalisierte seine Handelsbeziehungen in den Westen Europas und profitierte in erheblichem Maße vom politischen Wandel.
Man darf also gespannt sein, wie es mit der Stadt und ihren Einwohnern in Zukunft weitergehen wird. Der Grundstein in eine perspektivreiche Zukunft scheint gelegt.
sh