„Chance auf Zugang zu Ressourcen“
Chinas eisige Ambitionen: Was will die Supermacht in der Arktis?
China liegt rund 2.000 Kilometer südlich der Arktis. Trotzdem wächst das Interesse am hohen Norden scheinbar stetig. Die eisigen Weiten des Nordens verbergen mehr als nur russische Atom-U-Boote – sie bergen auch wertvolle Rohstoffe: Metalle, Mineralien, Öl und Erdgas.

„China sieht in der Arktis eine Chance auf Zugang zu Ressourcen“, sagt Iselin Stensdal. Sie forscht am norwegischen Fridtjof-Nansen-Institut (FNI) zur chinesischen Energiepolitik. „Gleichzeitig betonen chinesische Offizielle, wie wichtig ihnen der Umweltschutz in der Region sei“, schildert sie.
Laut Stensdal ist das wachsende Interesse Chinas an der Arktis wenig überraschend: „China hat Großmachtambitionen. Und wer global mitspielen will, muss überall aktiv sein. Mit den nötigen Mitteln und dem Willen dazu ist es logisch, dass China auch in der Arktis Ressourcen einsetzt.“
Allerdings ist die Perspektive eine Frage des Standorts. Für Norwegen – ein im Vergleich kleines Land im Hohen Norden – ist Chinas Engagement von hoher Relevanz. Für China hingegen, das global Einfluss ausüben will, ist die Arktis nur eines von vielen strategischen Spielfeldern.
Die Nördliche Seeroute (NSR) ist für China nicht zur erhofften Handelsautobahn geworden
Stensdal stellt allerdings fest, dass Chinas Interesse an der Arktis zuletzt eher abgenommen hat.
China hat 2018 eine eigene Arktisstrategie veröffentlicht und sich darin als ‚nahe Arktisnation‘ bezeichnet – trotz der riesigen Entfernung.
„Das sorgte bei westlichen Arktis-Staaten für Kritik – seither hat China diese Formulierung weitgehend aufgegeben“, sagt Stensdal. Viele glaubten, China würde massiv in den Ausbau einer Handelsroute durch die Arktis investieren, um schneller nach Europa zu gelangen.
Doch die Nördliche Seeroute (NSR) ist für China nicht zur erhofften Handelsautobahn geworden. 2021 absolvierte Chinas staatliches Schifffahrtsunternehmen COSCO einen Rekord mit 14 Fahrten durch die Arktis.
Doch seit 2022 hat kein chinesisches Unternehmen mehr die NSR für den Warentransport zwischen Asien und Westeuropa genutzt. Stattdessen ist die NSR heute primär für den Handel mit der russischen Arktis von Bedeutung.
„Der Handel zwischen russischen Häfen wie Sankt Petersburg oder Archangelsk und China hat zugenommen – vor allem wegen des Öl-Exports“, erklärt Erdem Lamazhapov. Er forscht am FNI zu den Beziehungen zwischen China und Russland in der Arktis.
„Das ist ein deutlicher Wandel. Ein chinesisches Unternehmen, das in diesen Handel involviert ist, wurde sogar der Sabotage an Infrastruktur zwischen Estland und Finnland beschuldigt“, sagt er. Während Europa Russland mit harten Sanktionen belegt hat, handeln China und Indien weiterhin mit Moskau.
Vor 2023 wurde Rohöl nur selten über die Arktis transportiert – die Kosten waren einfach zu hoch. Der Verkauf in andere Regionen war wirtschaftlich sinnvoller. Doch China hilft Russland dabei, neue Abnehmer für sanktionierte Güter wie etwa Öl zu finden.
Chinas Interesse an der Arktis ist längst nicht in Stein gemeißelt
Ursprünglich war Russlands verflüssigtes Erdgas (LNG) für Asien bestimmt. Seit 2022 wird aber ein großer Teil wegen hoher Preise nach Europa umgeleitet – nachdem der Gasfluss durch russische Pipelines im Zuge des Ukraine-Kriegs drastisch zurückging.
Dennoch bleibt die russische Arktis eine der Regionen, in denen China Zugang zu strategischen Ressourcen und Transportwegen hat. Russland hat China eingeladen, beim Ausbau der NSR zu kooperieren – etwa beim Schiffbau oder in Versicherungsfragen.
Doch China agiert bislang zurückhaltend. „Ohne Russland lässt sich die NSR nicht nutzen. Für Fahrten braucht man russische Genehmigungen, oft auch russische Eisbrecher“, sagt Lamazhapov gegenüber ScienceNorway.
Zudem ist es seit 2022 immer schwieriger geworden, Versicherungen für Fahrten in der Region zu bekommen. Aus diesem Grund meiden viele chinesische Unternehmen die Route derzeit als Handelsverbindung in den Westen. Chinas Interesse an der Arktis ist längst nicht in Stein gemeißelt.