Neue Studie erregt international Aufmerksamkeit
Norwegen: CO₂-Ersparnis bei „Klimakiller“ Baubranche überraschend günstig – je nach Sichtweise
Neue Forschungsergebnisse des Instituts SINTEF Energy Research mit Sitz im norwegischen Trondheim erregen gerade internationale Aufmerksamkeit. Im Fokus: Produktionsverfahren für Großbauten, die durch minimalen Aufpreis deutlich weniger Treibhausgas-Emission verursachen.
So zeigt die Studie, dass beispielsweise der Bau einer Brücke nur rund ein Prozent teurer sein müsste, um das durch den Produktionsprozess freigesetzte CO₂ massiv zu reduzieren. Die Rede ist von bis zu 50 Prozent, was mit Blick auf die Umwelt natürlich ein enormer „Return on Investment“ wäre.
Um es konkret zu machen: Zement wird bei Großbauten zu Tausenden Tonnen benötigt. Das Problem: Bei der herkömmlichen Herstellung einer Tonne Zement werden rund 600 Kilogramm CO2 freigesetzt. Zwei Drittel davon sind rohstoffbedingte und ein Drittel Brennstoffemission.
Das allein macht Zement zu einem zentralen Faktor der Bauindustrie im Kampf und Werben um mehr Umweltverträglichkeit. Dazu muss man wissen, dass in dieser Branche richtig was zu holen ist, denn aktuell werden ihr monströse 40 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes zugeschrieben. Allein Zement und Stahl sind für rund 15 Prozent verantwortlich.
CO2-Abscheidung funktioniert wunderbar, gilt aber als (zu) teuer – bei falscher Sichtweise
Technisch gesehen ist ein Mittel zur Lösung der Problematik die unter der Abkürzung CCS firmierende Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (= Carbon Capture & Storage). Dem Verfahren haftet jedoch der Malus an, zu teuer und damit unwirtschaftlich zu sein.
„Viele Studien haben die wirtschaftlichen Auswirkungen von CCS auf Rohstoffe wie Zement und Stahl untersucht. Sie vernachlässigen jedoch den Preis des Endprodukts“, benennt der SINTEF-Forscher Simon Roussanaly den aus seiner Sicht wegweisenden Punkt.
Für die neue Studie nahm sich das Forscherteam daher gleich mal eines der größten Bauwerke überhaupt vor: den berühmten Lake Pontchartrain Causeway im US-amerikanischen Bundesstaat Louisiana – die längste Wasserbrücke der Welt.
Die Konstruktion ist 38 Kilometer lang und überquert einen großen See nördlich von New Orleans. Basis für das Bauwerk bildeten rund 75.000 Tonnen Zement und fast 25.000 Tonnen Stahl. Gigantische Ausmaße also – und in herkömmlicher Denkweise ein Klimakiller vor dem Herrn.
Die SINTEF-Studie zeigt nun, dass der Einsatz von CO₂-Abscheidung und -Speicherung im Stile von CCS bei diesem Brückenprojekt zwar zu einem erheblichen Anstieg der Kosten für die einzelnen Rohstoffe geführt hätte.
Konkret wäre laut Science Norway beim Zement ein Aufpreis von rund 60 Prozent und beim verbauten Stahl von rund 13 Prozent fällig gewesen. Zahlen also, die das Verfahren für sich gesehen tatsächlich fast unbrauchbar erscheinen lassen.
Wenn man für 1 % Mehrkosten 50 % mehr Umweltschutz erhält, sollte man zugreifen
Aber: Mit Blick auf die Gesamtkosten der riesigen Brücke relativierten sich die Zahlen auf einmal deutlich. Und zwar ergaben hier die Berechnungen, dass sich die Kosten für das gesamte Projekt um lediglich jenen überschaubaren Prozentpunkt erhöhten, der eingangs genannt wurde.
Auf der Habenseite stünden hingegen bis zu 50 Prozent weniger CO₂-Ausstoß, was geradezu danach schreit, die neuen Forschungsergebnisse in zukünftige Kalkulationen mit einzubeziehen. Der so wichtigen Baubrache und insbesondere dem Klima wären es zu wünschen.
„Um unsere Klimaziele zu erreichen, sind wir auf CCS angewiesen. Daher ist es großartig, dass unsere Forschungsergebnisse nun auch auf internationaler Ebene Aufmerksamkeit erlangen“, teilte Roussanaly dieser Tage in einem Interview mit.
Spannende Hintergrundinformationen zum CCS-Verfahren finden sich auf der Webseite des Branchenriesen HeidelbergCement, der in Norwegen bei einem Zementwerk die weltweit erste Anlage zur CO₂-Abscheidung und -speicherung im industriellen Maßstab realisiert.