Wächter der Zelle: Mitochondrien als Regler für zelluläre NAD+-Spiegel
Uni Bergen: Kann man Altern verlangsamen?
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Professor Mathias Ziegler von der Universität Bergen (UiB) hat eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, die neue Einblicke in die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen liefert. Die Forscher vermuten, dass sie möglicherweise einen therapeutischen Ansatz entdeckt haben, um das Altern zu verlangsamen und altersbedingte Krankheiten zu behandeln.
Im Zentrum der Forschung steht ein lebenswichtiges Molekül: Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid, kurz NAD.
„NAD ist entscheidend für alle zellulären Prozesse, da es eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel und in der Regulation lebenswichtiger Funktionen spielt“, erklärt Ziegler.
Gestörte NAD-Spiegel werden mit Alterungsprozessen sowie einer Vielzahl von Krankheiten, darunter Krebs, Diabetes und neurodegenerative Erkrankungen, in Verbindung gebracht.
„Man kann sich NAD wie eine wiederaufladbare Batterie vorstellen, die Energie aus der Nahrung speichert und an die Zellen weitergibt“, erläutert der Biomediziner.
Zelluläre Energieversorgung und DNA-Reparatur
NAD ist nicht nur für die Energiegewinnung in den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“, von zentraler Bedeutung. Es reguliert auch lebenswichtige Prozesse wie die Genexpression und die DNA-Reparatur. Besonders im Alter steigt der Bedarf an NAD, da sich Schäden in der DNA häufen.
„Wir beobachten, dass die NAD-Spiegel mit zunehmendem Alter sinken, was möglicherweise auf eine verstärkte DNA-Reparaturaktivität zurückzuführen ist“, so Ziegler.
Doch was passiert, wenn die NAD-Reserven der Zellen erschöpft sind? Mithilfe modernster Technologien, darunter hochauflösende Massenspektrometrie und CRISPR-Cas9-Genom-Editierung, untersuchten die Wissenschaftler, wie Zellen mit reduziertem NAD-Niveau umgehen.
Ihre Entdeckung: Mitochondrien agieren als NAD-Reservoirs. Diese Speicher werden unter normalen Bedingungen gefüllt und bei erhöhtem Bedarf angezapft.
„Wenn die Funktion der Mitochondrien oder ihre NAD-Reserven über längere Zeit gestört sind, kann das fatale Folgen haben“, erklärt Doktorandin Lena Høyland, Erstautorin der Studie. „Ohne ausreichende NAD-Batteriekapazität könnten zelluläre Prozesse zum Erliegen kommen.“
Hoffnung für die Behandlung altersbedingter Krankheiten
Die Forschung zeigt, dass eine Dysfunktion der Mitochondrien und sinkende NAD-Spiegel typische Merkmale des Alterns sowie altersbedingter Krankheiten wie Demenz und neurodegenerativer Störungen sind. Das Team vermutet, dass ein übermäßiger Verbrauch von mitochondrialem NAD ein Schlüsselmechanismus hinter der Zellalterung und diesen Erkrankungen ist.
Erste klinische Studien, die in Norwegen und international durchgeführt wurden, liefern ermutigende Ergebnisse: Die therapeutische Erhöhung der NAD-Spiegel könnte eine wirksame Strategie gegen altersbedingte Krankheiten sein.
„Unsere Entdeckung legt einen neuen Mechanismus offen, der möglicherweise das Fortschreiten solcher Erkrankungen beeinflusst“, sagt Høyland.
Die Bedeutung dieser Forschung unterstreicht Ziegler: „Grundlagenforschung ist essenziell, um vielversprechende Ansätze zu entwickeln, mit denen das Altern verlangsamt und altersbedingte Krankheiten behandelt werden können.“
Die Ergebnisse der Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Metabolism veröffentlicht. Ein begleitender Artikel hebt die Relevanz der Erkenntnisse hervor.