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Neue Studie über die Aquakultur

Gegenteiliger Effekt: Lachszucht verknappt Nahrungsmittel aus dem Meer

Lachs galt einst als eine teure Delikatesse, die man nur zu besonderen Anlässen genoss. Heute ist der edle Fisch längst zum Massenprodukt geworden – dank der massiven Ausweitung der Aquakultur. Norwegen, der weltweit führende Produzent, stellt jährlich 1,3 Millionen Tonnen Zuchtlachs her. Rund 90 Prozent des in unseren Supermärkten erhältlichen Lachses stammen aus norwegischer Produktion.

Lachszucht Norwegen
Die Fischzüchter behaupten, dass die Aquakultur die Wildfische entlasten würde, dabei ist das Gegenteil der Fall: Immer mehr Wilfdisch wird zu Fischfutter verarbeitet, was zu einer Verknappung von Fisch in den Meeren und auf dem Markt führt. (Foto: YouTube)

Dabei steht die Realität der Massentierhaltung in den Lachszuchtanlagen in scharfem Kontrast zu den idyllischen Bildern, die uns in der Werbung vermittelt werden. Statt unberührter Natur dominieren enge Fischzuchtkäfige und industrielle Tierquälerei die Szenerie. Nun kommt eine weitere Problemdimension dazu.

Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde, beleuchtet die zunehmende Abhängigkeit der globalen Aquakultur von Wildfischbeständen. Trotz gegenteiliger Behauptungen der Industrie, die Fischzucht würde den Druck auf die Meeresfischerei mindern, zeigt die Untersuchung, dass die Entnahme von Wildfischen aus den Ozeanen weiter steigt – insbesondere zur Versorgung der Lachsindustrie.

Diese Entwicklung führt laut der Studie dazu, dass Küstengemeinden immer weniger Zugang zu preiswerten lokalen Fischarten wie Sardinen und Sardellen haben. Stattdessen werden diese kleinen Fische vermehrt gefangen, verarbeitet und zu Fischmehl und Fischöl „reduziert“, das hauptsächlich als Futter für Zuchtfische dient. Rund 26 Prozent der weltweiten Fischfänge entfallen auf diese sogenannte „Reduktionsfischerei“, so die Ergebnisse.

„Mit dem Wachstum der Aquakulturindustrie wächst auch ihre Abhängigkeit von Wildfischen“, sagte Dr. Kathryn Matthews, leitende Wissenschaftlerin von Oceana und eine der Autorinnen der Studie.

„Die anhaltende rasche Expansion des Sektors wird immer mehr Fischmehl und Fischöl erfordern, auch wenn die Verwendung in Futtermitteln immer effizienter wird.“

Die Studie nimmt die von der Aquakulturindustrie verwendete „Fish-in-Fish-out“-Ratio (FIFO) kritisch unter die Lupe.

Irreführende Dargestellung durch Fischzüchter

Diese Kennzahl dient dazu, den Einsatz von Wildfisch zur Produktion von Zuchtfisch zu quantifizieren, wird aber laut den Autoren, darunter renommierte Wissenschaftler wie Dr. Patricia Majluf, außerordentliche Professorin für ökologische Nachhaltigkeit an der Universität Cayetano Heredia und ehemalige Vizepräsidentin von Oceana in Peru, sowie Dr. Daniel Pauly, Fischereiwissenschaftler und Oceana-Vorstandsmitglied, oft irreführend dargestellt.


(„Das krasse Geschäft mit dem Lachs“ – 30-minütige Doku von 2024 zum Thema / Weltspiegel)

Das Team um Majluf und Pauly zeigt auf, wie die Industrie den durchschnittlichen Verbrauch von Fischmehl und Fischöl für Fleisch- und Pflanzenfresser zusammenfasst, um den hohen Futterbedarf von fleischfressenden Zuchtfischen zu verschleiern.

Dies senkt das FIFO-Verhältnis künstlich und suggeriert, die Abhängigkeit der Aquakultur von Wildfisch nehme ab. Tatsächlich aber wird Fischöl, ein zunehmend knapper Rohstoff, vor allem von der Lachsindustrie nachgefragt, die 70 Prozent des weltweit konsumierten Lachses liefert. Im Jahr 2020 entfielen 60 Prozent des weltweiten Fischölverbrauchs allein auf gezüchteten Atlantiklachs.

„Lachsindustrie reduziert Nahrung, anstatt sie zu produzieren“

„Die Lachsindustrie reduziert Nahrung, anstatt sie zu produzieren. Sie kommt nur wenigen zugute, während sie den Zugang zu nahrhaftem Fisch für jene einschränkt, die ihn am dringendsten benötigen“, kritisierte Dr. Kathryn Matthews von Oceana.

Besonders betroffen seien Küstengemeinden in Westafrika, wo große Mengen kleiner, nahrhafter Fische wie Sardinellen zur Herstellung von Fischmehl für den Export, unter anderem zu den europäischen Zuchtlachsschwergewichten Norwegen, Island und Schottland, verwendet werden.

„Dies benachteiligt lokale Fischhändler, die nicht mit den Preisen der Fischmehlfabriken konkurrieren können“, ergänzte Dr. Daniel Skerritt, Analyst bei Oceana.

Die Studie wirft auch einen Blick in die Zukunft der Fischmehl- und Fischölproduktion. Der Klimawandel beeinträchtigt die globalen Fischbestände, darunter die peruanische Sardelle, eine zentrale Quelle für Fischmehl und Fischöl.

Durch wärmere Gewässer sinkt der Ölanteil der Fische, und eine mangelhafte Bewirtschaftung führt zu höheren Fängen von Jungfischen, die ebenfalls weniger Öl enthalten.

„Dies zwingt die Hersteller dazu, nach alternativen Quellen für Fischöl zu suchen, auch in Beständen, die eigentlich für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, wie Makrelen“, erklärte Dr. Majluf.

Angesichts dieser Herausforderungen fordern die Autoren die Branche auf, verstärkt auf Ersatzstoffe für Fischmehl und Fischöl in der Aquakultur zu setzen. Der Artikel ist Teil einer Sonderausgabe von Science Advances zur Aquakultur, die auch eine Analyse von Dr. Rashid Sumaila, Fischereiökonom und Oceana-Vorstandsmitglied, zur Notwendigkeit größerer Transparenz bei Aquakultur-Subventionen enthält.

Oceana ist eine internationale Organisation, die sich für den Schutz der Meere einsetzt. Ihr Ziel ist der Wiederaufbau reichhaltiger und artenreicher Ozeane, wozu die Organisation viel forscht, um fundierte Argumente gegen Wirtschaftsraubbau zu sammeln.

Die Studie erschien unter dme Titel „A review of the global use of fishmeal and fish oil and the Fish In:Fish Out metric“ (dt. „Ein Überblick über die weltweite Verwendung von Fischmehl und Fischöl und das Fish In:Fish Out-Maß“).

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