Bejagte geschützte Art
Norwegischer Naturschutzbund fordert Stopp Jagd auf Vielfraße
In diesem Jahr hat die norwegische Naturschutzbehörde acht Vielfraße in ihren Höhlen geschossen. In den letzten zwanzig Jahren wurden auf diese Weise insgesamt 184 Vielfraßjunge getilgt. Der norwegische Naturschutzbund (Naturvernforbundet) fordert nun einen vollständigen Stopp der Vielfraßjagd.
„Der Vielfraß wird in Norwegen auf unwürdige Weise behandelt. Staatliche Jäger gehen in die Höhlen und erschießen Weibchen und neugeborene Welpen. Das ist unethisch, und wir fordern einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Vielfraß“, sagt Arnodd Håpnes, Biologe und technischer Berater bei der Naturschutzorganisation.
Mehr als 300 Jungtiere geschossen
Seit 2004 wurden mehr als 300 Vielfraß-Welpen erlegt. Die Jahre 2012 und 2015 waren die Jahre mit den meisten Abschüssen, in denen bis zu 17 Familien beseitigt wurden. In diesem Jahr wurden bisher acht Familien erlegt. Die Jagd wird von der norwegischen Naturschutzbehörde durchgeführt und findet jedes Jahr von Februar bis Mai statt.
Der Vielfraß ist das ganze Jahr über einem erheblichen Jagddruck ausgesetzt, teilt der Naturvernforbundet heute mit. Zusätzlich zur behördlichen Bejagung findet vom 21. August bis zum 15. Februar eine Lizenzjagd statt. Mit anderen Worten, der Vielfraß wird das ganze Jahr über gejagt.
Geschützte Art
Der Vielfraß ist eine geschützte Art und steht auf der norwegischen Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. Nach Angaben des norwegischen Informationszentrums für Biodiversität (Artsdatabanken) ist die Jagd „der wichtigste negative Faktor, der die Population des Vielfraßes in Norwegen beeinträchtigt“.
Der Vielfraß hat besondere ökologische Funktionen und ist ein wichtiger Bestandteil des ökologischen Zusammenspiels in den Wald- und Berggebieten Norwegens. In der warmen Saison ist das auch Bärenmarder genannte Tier hauptsächlich Aasfresser, ernährt sich aber auch von Baumtrieben und Beeren.
Norwegen versäumt Naturschutzpflichten
„Norwegen verwaltet einen wichtigen Teil der europäischen Vielfraßpopulation. Das bedeutet, dass wir eine besondere Verantwortung für sie haben. So wie die Dinge heute stehen, werden wir dieser Verantwortung nicht gerecht. Als erstes sollten wir aufhören, wilde Tiere in ihren Höhlen zu schießen“, sagt Håpnes.
„Der Vielfraß gehört in die norwegische Natur. Wir wissen, dass der Verlust von Nutztieren eine Belastung für die Landwirte und die örtlichen Gemeinden darstellt. Deshalb müssen sich die Behörden viel stärker auf präventive Maßnahmen zur Verringerung der Verluste konzentrieren“, sagt Håpnes.
Grundlegenden Änderungen gefordert
Gemeinsam mit sechs anderen Organisationen hat der Naturvernforbundet einen Aufruf zu grundlegenden Änderungen im norwegischen Raubtiermanagement veröffentlicht.
„Die unterzeichnenden Organisationen bringen hiermit ihre große Besorgnis über die Entwicklung der norwegischen Raubtierpolitik zum Ausdruck, bei der die Gesetzgebung und die Wissensbasis an politische Ambitionen angepasst werden, mit dem Ergebnis, dass die Populationen der vier großen Raubtierarten – Luchs, Vielfraß, Bär und Wolf – auf einem kritischen oder stark bedrohten Niveau gehalten werden“, heißt es in dem Aufruf, der der Regierung im vergangenen Herbst übermittelt wurde.
Die Organisationen sprechen sich u.a. dafür aus, das Populationsziel als Mindestziel zu definieren und die Ziele höher anzusetzen als heute, d.h. die Populationen zu vergrößern. Der Aufruf wurde von den Organisationen WWF World Wildlife Fund, Sabima, BirdLife Norway, NOAH – for animal rights und Foreningen Våre Rovdyr sowie von Naturvernforbundet unterzeichnet.
Vielefraß, Bärenmarder und Co.
Das Tier mit der lateinischen Bezeichnung Gulo gulo hat im Deutschen viele Namen, keiner davon ist schmeichelhaft. Vielefraß, Bärenmarder, Gierling, Giermagen oder Gierschlund. Der deutsche Name „Vielfraß“ kommt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von der volksetymologischen Umbildung des altnorwegischen Wortes fjeldfross. Es bedeutet so viel wie „Felsenkater“ oder „Bergkater“.
Die Erzählungen der angeblichen Gefräßigkeit des Tieres kommt von dem eingedeutschten Tiernamen, weniger vom tatsächlichen Fressverhalten her.
Vielfraße sind Einzelgänger mit massigem Kopf, Männchen werden etwa 30 Kilogramm schwer. In Europa leben sie im Norden Skandinaviens, in Estland und in Sibirien. Auch wenn sie vorwiegend Aas fressen, reißen sie gelegentlich auch junge Elche oder Rentiere und Konkurrenten wie Luchse. Manchmal auch Weidetiere. Man sollte Vielfraßen keinesfalls begegnen wollen.
Größter Jäger Klimawandel
Die Jagd ist eine Bedrohung für die Tierart, eine viel größere wird in Zulunft der Klimawandel sein. Bärenmarder ziehen das Jahr über umher, ein erwachsenes Tier streift laut einer Studie durch ein Revier von 1580 Quadratkilometern und größer. Im Winter werden sie jedoch ortsgebunden, sie graben sich Höhlen in die Schneedecken.
Dort gebären die Weibchen im Frühjahr die Jungen und ziehen sie auf, bevor sie die Höhlen verlassen. Mit der Erderwärmung aber schwinden die Schneefelder auch im Norden Europas, das bedroht die Tierart, die den Schnee zur Fortpflanzung braucht.
Wenn die Lebensbedingungen für Vielfraße sich krass ändern und ihre Fähigkeit zur Fortpflanzung erschwert wird, ist ein Ende für die Tierart in der freien Natur absehbar.