Krankheitslast bestimmter Rassen als „normal“ etabliert
Hundezüchter gegen Tierschützer – Der Oberste Gerichtshof verhandelt Zucht bestimmter Hunderassen in Norwegen
In dieser Woche beginnt vor dem Obersten Gerichtshof Norwegens die Anhörung im Fall der Zucht der Rassen Englische Bulldogge und Cavalier King Charles Spaniel. Das Gericht entscheidet über die Berufung im Fall der Hundezucht zwischen dem norwegischen Tierschutzbund und dem norwegischen Kennel Club (NKK).
Die Tierschutzorganisation hat den Klub und die Züchter wegen der Zucht der beiden Rassen verklagt, – ihrer Meinung nach verstoße allein die Zucht gegen das Tierschutzgesetz. Der Grund dafür sind die gesundheitlichen Probleme der Rassen.
Dazu äußerte sich der norwegische Tierschutzbund (Dyrebeskyttelsen Norge) gestern in einer Stellungnahme: „Auf das Aussehen ausgerichtete Zucht hat unsere Hunde inzüchtig und krank gemacht. Der norwegische Tierschutzbund ist der Ansicht, dass Hunde in Übereinstimmung mit dem norwegischen Recht gezüchtet werden müssen.“
Das Berufungsgericht Borgarting hat im vergangenen Herbst entschieden, dass die Zucht der Hunderasse Cavalier King Charles Spaniel gegen das Gesetz verstößt. Damit wurde festgestellt, dass der Spaniel nicht gezüchtet werden dürfe, die Englische Bulldogge jedoch schon. – Ein Teilerfolg für die Tierschützer.
Der NKK zeigte sich jedoch enttäuscht über das Urteil in Bezug auf den Cavalier King Charles Spaniel und legte daher beim Obersten Gerichtshof Berufung ein. Die Züchtervereinigung ist der Meinung, dass es falsch sei, die Zucht für alle Tiere einer bestimmten Rasse zu verbieten.
Im Januar 2022 kam das Bezirksgericht Oslo zu dem Schluss, dass es gegen § 25 des Tierschutzgesetzes verstoße, dass der NKK, zwei Rassehundevereine und sechs Züchter die beiden Hunderassen in Norwegen züchteten.
Der norwegische Kennel Club beschloss, in Berufung zu gehen. Sie wollen nachweisen, dass es unter den fraglichen Hunderassen gesunde Individuen gibt.
Verschiedene Hunderassen für verschiedene Zwecke
In der gestriegn Mitteilung äußerte sich der norwegische Tierschutzbund zu dieser Frage:
Der Tierschutzbund ist „der Meinung, dass wir verschiedene Hunderassen für verschiedene Zwecke brauchen. Aber der Wunsch, die Rassen rein zu halten, darf nie auf Kosten der Gesundheit gehen. Kreuzungen sind und bleiben eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Hundezucht.“
Und weiter: „Wenn man eine beliebige Person auf der Straße fragt, interessiert sie sich nicht für Schleifen auf Ausstellungen, Winkel an den Hinterbeinen oder ob die Ohren in dieser oder jener Position sind. Die meisten Leute wollen einfach nur einen Hund! […] Die Tatsache, dass eine kleine Gruppe von Menschen über Jahre hinweg die Zucht von Hunden kontrollieren konnte, ohne dass dies wissenschaftlich fundiert war, hat zum größten Tierschutzproblem unserer heutigen Hunde geführt.“
Krankheitslast bestimmter Rassen als „normal“ etabliert
Die Hundezucht in Norwegen sei eine millionenschwere Branche, die den heutigen Erwartungen und dem heutigen Wissensstand nicht gerecht werde, so der Schutzbund.
Die Tierschützer sind der Meinung, dass die Art und Weise, wie Hunde gezüchtet werden, den heutigen Gesetzen angepasst werden müsse.
Die Versicherungsgesellschaften in Norwegen versichern gar nicht erst diverse Hunderassen gegen die üblichen rassespezifischen Krankheiten, da dies nicht wirttschaftlich wäre.
Der Tierschutzbund wirft den Züchtern vor, diese Probleme beim Verkauf von Welpen gegenüber den Käufern zu verschweigen, stattdessen etabliere man die Krankheitslast als normal für die Rasse.
„Wir müssen unseren Hunden eine bessere Gesundheit gönnen und akzeptieren, dass einige von ihnen ein wenig anders aussehen müssen. Wenn man historische Bilder von Hunden vergleicht, kann man sehen, dass die Zucht in vielen Fällen nicht zum Vorteil der Hunde war. Einige Rassen sollten so gezüchtet werden, dass sie ihrem ursprünglichen Aussehen ähnlicher werden“, sagt Åshild Roaldset, Tierärztin und Geschäftsführerin des norwegischen Tierschutzbundes.
Typische Gesundheitsprobleme bei Englischer Bulldogge und Cavalier King Charles Spaniel
Die Englischen Bulldogge hat angezüchtete Atemprobleme, auch Herz und die Augen gelten als anfällig. Durch ihre kurze Schnauze bekommt die Bulldogge schlecht Luft und kann nicht so gut hecheln. Mit ihren kurzen O-Beinen wird ihr beim Laufen überdies schnell warm – Stichwort Hitzeunverträglichkeit.
Der kurze Schädel – in der Fachsprache Brachycephalie genannt – sorgt nicht nur für Atemprobleme, sondern führt oft zu weiteren Krankheiten. So lässt sich bei betroffenen Hunderassen häufiger beobachten, dass die Welpen mit einem Hydrozephalus, einem Wasserkopf, auf die Welt kommen, auch das Hirntumor-Risko scheint höher.
Weitere Propblemzonen sind: Unterbiss (führt häufig zu Parodontitis), Gelenkprobleme (Hüftdysplasie und Ellbogendysplasie) verbunden mit Schmerzen. Häufiges Übergewicht der gemütlich veranlagten Tiere verstärkt die Gelenkprobleme. Augen sind oft entzündet, es kommt zur Erkrankung der Nickhaut.
Der Cavalier King Charles Spaniel ist häufig mit Endokardiose geplagt, einer Herzerkrankung an den Vorhofklappen. Auch eine Missbildung des Gehirns, die zu fortschreitenden neurologischen Ausfallerscheinungen führt, ist bei dieser Rasse verbreitet. Weitere Problemfelder sind: Schulterluxationen, Konjunktivitis sowie retinale Dysplasien.
In den Niederlanden ist die Zucht von kurznasigen Hunden aller Rassen, einschließlich der Mischlinge, grundsätzlich als Qualzucht verboten. Nach dem niederländischen Tierschutzgesetz müssen die Nasenlänge der Hunde mindestens ein Drittel der Kopflänge betragen, um gezüchtet werden zu dürfen.
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