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48 Stunden Ladezeit

Ziviler Ungehorsam einer Pop-Band: Wie A-ha Norwegen zum E-Auto-Weltmeister machte

Norwegen gilt heute als weltweiter Vorreiter der Elektromobilität, doch das ist nicht zufällig geschehen, sondern ist einer ungewöhnlichen Allianz zwischen Umweltaktivisten und der Popgruppe A-ha zu verdanken. Für die Sache hatte sich die Band sogar mit der Staatsgewalt angelegt. Heute erinnern wir an den inzwischen historisch gewordenen Vorgang.

A-ha vor ihrem Elektroauto Fiat Panda
A-ha und Harald N. Røstvik posieren vor ihrem Elektroauto Fiat Panda. Es dauerte 48 Stunden, um die Batterie des Wagens vollständig aufzuladen. (Foto: Mikkelsen/Harald N. Røstvik Akten, Arkivverket)
In den 1980er-Jahren kämpften Umweltpioniere für die Verbreitung von Elektrofahrzeugen, doch ihre Bemühungen blieben zunächst weitgehend unbeachtet. Dann jedoch gelang es ihnen, Norwegens bekannteste Popband ins Boot zu holen – und damit das Thema ins Rampenlicht der Öffentlichkeit.

A-ha, die mit internationalen Hits wie „Take on Me“ und „The Sun Always Shines on TV“ Weltruhm erlangt hatten, waren Ende der 1980er-Jahre auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Auch die Titelmelodie des James-Bond-Films „Der Hauch des Todes“ (1987) stammte von der Band.

1989 begleitete die Gruppe eine Delegation von Umweltaktivisten zur Tour de Sol, einer Messe für Solarfahrzeuge in der Schweiz. Dort entdeckten sie einen Fiat Panda, der zu einem Elektroauto umgerüstet worden war – und eine Idee war geboren.

Ziviler Ungehorsam einer Pop-Band

A-ha mit Harald N. Røstvik
Die Gruppe A-ha mit dem Umweltschutzpionier Professor Harald N. Røstvik. (Foto: Mikkelsen/Harald N. Røstvik Akten, Arkivverket)
Zurück in Norwegen importierten die Aktivisten ein ähnliches Fahrzeug und machten es zu einem Symbol für ihre Kampagne. Das erste moderne Elektroauto des Landes wurde zum Mittel für zivilen Ungehorsam: Die Gruppe durchbrach mit dem Wagen Mautstationen, parkte absichtlich illegal und weigerte sich, Kfz-Steuern zu zahlen.

Ihr Ziel: Aufzeigen, dass nachhaltige Mobilität nur gefördert werden kann, wenn die neue Technologie von finanziellen Hürden befreit wird.

Die Aktion zog die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Politik auf sich und trug dazu bei, Norwegen zum führenden Land der Elektroauto-Revolution zu machen. Ein wichtiger Schritt, der ohne die Unterstützung einer der berühmtesten Popbands der Welt womöglich nicht gelungen wäre.

Morten Harket, der Leadsänger von A-ha, erklärte im Gespräch mit BBC Disclosure im Jahre 2022:

„Ich hatte nicht wirklich das Gefühl, einen rebellischen Akt zu begehen. Im Nachhinein wurde mir klar, dass es genau das war – aber es war einfach notwendig. Es war das, was wir tun mussten. Und es ergab einfach Sinn, verstehen Sie?“

48 Stunden Ladezeit

Für die riesige Batterie mussten im Fiat Panda die Rücksitze entfernt werden, um Platz zu schaffen. Die technischen Einschränkungen waren allerdings erheblich: Die Reichweite betrug lediglich 45 Kilometer, und ein vollständiger Ladevorgang dauerte ganze 48 Stunden.

Die Idee

Die Idee, die Elektromobilität voranzutreiben, kam von Prof. Harald N. Røstvik von der Universität Stavanger. Damals stieß er jedoch auf Unverständnis und Spott.

„Die Leute haben mich ausgelacht“, erinnert er sich. „Es war schon schwierig, überhaupt zu erklären, worum es ging, weil es kein Wort wie ‚Nachhaltigkeit‘ gab.“

Der Plan war simpel, aber effektiv: Die Regierung durch Aktionen so unter Druck zu setzen, dass sie handeln musste.

„Nur ein Jahr, nachdem wir das Auto zum ersten Mal gefahren hatten, begann die Regierung, die weltweit besten Anreize umzusetzen, die wir gefordert hatten“, so Røstvik gegenüber der BBC.

Zu diesen Maßnahmen gehörten unter anderem die Nutzung von Busspuren durch Elektrofahrzeuge, kostenloses Parken, freie Fährfahrten und eine Befreiung von Steuern.

Frederic Hauge, Gründer der Umweltorganisation Bellona Foundation, ergänzt:

„Bevor wir gemeinsam das Elektroauto importierten, konzentrierten wir uns fast ausschließlich auf die Probleme. Dies war eines der ersten Themen, bei dem der Fokus auf der Lösung lag.“

Gegen Öllobby und Staatsmacht

Es dauerte über sieben Jahre, bis schließlich alle geforderten Gesetzesänderungen eingeführt wurden. Bis dahin galt es, viele Hürden zu nehmen.

Das Elektroauto wurde von der Regierung mehrfach beschlagnahmt und versteigert, wobei es mindestens ein Dutzend Mal von Unterstützern zurückgekauft wurde. Dennoch waren die Aktivisten überzeugt, dass diese Bemühungen entscheidend waren, um Norwegen als Vorreiter bei der Entkarbonisierung des Verkehrs zu etablieren.

Ironischerweise ist Norwegen seit Mitte der 1970er Jahre eine der wohlhabendsten Ölfördernationen der Welt – ein scheinbarer Widerspruch, der die Bedeutung dieser frühen Elektroauto-Initiative noch deutlicher macht.

Norwegen verfügt über einen Staatsfonds im Wert von über einer million Millionen Euro, der durch die Einnahmen aus seinen Ölfeldern aufgebaut wurde. Dieser Fonds, oft als „Pensionsfonds“ oder „Ölfonds“ bezeichnet, soll die Wirtschaft des Landes absichern und für die Zeit vorsorgen, wenn die Ölquellen erschöpft sein würden.

Mortens Bandkollege bei A-ha, Magne Furuholmen, sagte: „Unsere Hände sind schwarz vom Öl, an dem wir reich geworden sind.“

„Ich denke, wir tragen eine gewisse Verantwortung, weil wir an der Spitze stehen und den Weg weisen.“

„Dieses kleine Auto hat den Weg für kostenloses Parken in der Stadt für Elektroautos mit Ladestationen und für die Mautfreiheit geebnet.“

Vergleich mit Schottland und Deutschland

In Norwegen sind 2,8 Millionen Personenkraftwagen zugelassen, im September 2024 waren davon 754.303 Elektroautos. Dies entspricht 26,26 Prozent aller Fahrzeuge in dem skandinavischen Land.

Es gibt seit vergangenem Jahr sogar mehr Elektroautos als Benziner. Die statistik besagt, dass auf norwegischen Straßen 753.905 Benzinfahrzeuge unterwegs sind, 26,24 Prozent des Gesamtaufkommens.

In Norwegen leben mit knapp über 5,5 Millionen Einwohnern etwa so viele Menschen wie in Schottland. Von den rund 2,4 Millionen Privatfahrzeugen in Schottland waren Ende März 2024 nur 34.254 Autos vollelektrisch (Quelle: consumer.scot).

Zusammen mit gewerblichen Fahrzeugflotten, fahren knapp über 50.000 Elektrofahrzeuge auf schottischen Straßen.

In Deutschland waren im Oktober 2024 mit 1,58 Millionen gerade einmal doppelt soviele Elektroautos wie in Norwegen zugelassen. Bei einem Aufkommen von knapp 50 Millionen zugelassenen Pkw, das entspricht einem Anteil von 3,16 Prozent für die Elektro-Fahrzeuge.

In Norwegen lag 2024 der Anteil der E-Autos an den Neuwagen bis einschließlich Oktober bei 88,8 Prozent. Damit rückt das von der Politik 2017 ausgerufene Ziel, bis 2025 flächendeckend eine 100 Prozentquote zu erreichen, in den Bereich des Möglichen.

Unser Geographie-Quiz: Norwegen und seine Landschaft

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