Interessante Forschungsergebnisse
Norwegen: Was macht der zunehmende Verzicht auf das Schreiben von Hand mit unseren Gehirnen?
Alles zurück auf Anfang? Keine Frage, Laptops und Tablets sind zu akzeptierten und effektiven Werkzeugen an Schulen sowie Universitäten geworden. Die meisten jungen Menschen tippen wahrscheinlich längst schneller auf einer Handy-Tastatur, als sie mit einem Stift schreiben könnten.
Dennoch scheint die Diskussion längst nicht abgeschlossen, ob das mechanisierte Tippen intellektuell auch so gut ist wie das Schreiben von Hand. Eine neue Studie der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) hat da jedenfalls so ihre Zweifel.
Zugegeben, die Ende Januar bei Frontiers in Psychology veröffentlichten Ergebnisse basieren auf einer kleinen Stichprobe (36 Teilnehmende). Aber in puncto Messgenauigkeit wollte man sich nicht lumpen lassen und verknüpfte alle Probanden-Köpfe mit 256 Sensoren, um die Gehirnaktivitäten bis ins Detail zu messen.
Die Teilnehmer, allesamt Studierende, wurden dann angewiesen, bestimmte Wörter entweder auf einer Tastatur oder mit der Hand zu schreiben. Wenn sie aufgefordert wurden, das Wort zu tippen, benutzten sie einen einzelnen Finger auf einer Tastatur. Wenn sie mit der Hand schrieben, taten sie dies mit einem digitalen Stift.
Die Sensoren maßen während der Aufgabe fünf Sekunden lang die Aktivität in den verschiedenen Teilen des Gehirns. Und siehe da: Die Messungen zeigten, dass mehrere Teile des Gehirns zusammenarbeiteten, wenn die Teilnehmer mit der Hand schrieben.
“Dabei wurden die Sinne messbar stärker beansprucht“
Beim Tippen auf einer Tastatur konnten die Forscher hingegen nicht den gleichen Anstieg feststellen. Die NTNU-Forscher gehen davon aus, dass die Ergebnisse in etwa gleich gewesen wären, wenn die Studenten einen Stift mit Tinte auf Papier benutzt hätten.
„Wir konnten nachweisen, dass die Unterschiede in der Gehirnaktivität mit der sorgfältigen Formung der Buchstaben beim Schreiben von Hand zusammenhängen. Dabei wurden die Sinne messbar stärker beansprucht“, teilte nun Neurowissenschaftlerin Audrey van der Meer mit.
Ist es also – in pädagogischen Linien gedacht – besser, das Reproduzieren von Buchstaben sozusagen körperlich zu spüren? Gerade bei Kindern und Jugendlichen könne dies klar von Vorteil sein, legen die Studienergebnisse nahe.
Die Forscher glauben zum Beispiel, dass Kinder, die auf Tablets lesen und schreiben lernen, Schwierigkeiten entwickeln könnten, den Unterschied zwischen gespiegelten Buchstaben zu erfassen. Etwa bei „b“ und „d“ könne es so zu Problemen kommen.
„Sie haben buchstäblich nicht mit ihrem Körper gespürt, wie es sich anfühlt, diese Buchstaben zu erzeugen“, schildert van der Meer. Die Resultate stützen somit frühere Forschungsergebnisse, auf die unter anderem Ingeborg Stana, Professorin für bildende Kunst, im Jahr 2021 hinwies.
Selbst Studienkritiker halten das Erlernen von Handschrift nach wie vor für essenziell
„Wenn wir Stift und Papier benutzen, werden mehr Teile des Gehirns aktiviert als beim Tippen auf einer Tastatur. Die Handschrift gibt dem Gehirn mehr Hinweise, die es sich merken kann“, erklärte Stana damals in einem Artikel auf Science Norway.
„Kurz gesagt: Das Erlernen des Schreibens mit der Hand in der Grundschule ist für die bestmögliche Entwicklung des Gehirns absolut notwendig. Ein Gehirn, das sich nicht optimal entwickelt, kann sich wiederum negativ auf die schulischen Leistungen auswirken“, so die Pädagogin.
Selbst Kritiker der neuen Studienergebnisse argumentieren, dass das Erlernen und Einüben der Handschrift für Schüler und Studierende nach wie vor essenziell sei. Andererseits plädieren auch die NTNU-Forscher nicht für eine Rückkehr in Zeiten ohne Laptops und Tablets – selbst in jungen Jahren.
„Es gibt Hinweise, dass Studierende besser lernen, wenn sie Vorlesungsnotizen von Hand machen. Gleichzeitig kann die Verwendung eines Computers produktiver sein, wenn man einen langen Text oder Aufsatz schreibt“, sagt van der Meer. Kurzum: Auf die Mischung kommt es an. Und auf den Zweck.
Wer sich in das Thema vertiefen will: Hier der Link zur Studie (in englischer Sprache).