Erdrutschartiger Politwechsel?
Norwegen: Konservative Regierung vor Wahl im September im absoluten Stimmungstief
Am 13. September wird in Norwegen gewählt, und die aktuelle Stimmung im Land könnte für das konservativ geführte Regierungsbündnis kaum schlechter sein. Laut einer aktuellen Meinungsumfrage im Auftrag des unabhängigen Fernsehsenders TV2 deutet sich derzeit eine erdrutschartige Abwahl von Ministerpräsidentin Erna Solberg an.
Den Zahlen zufolge käme das regierende Mitte-Rechts-Bündnis in gut fünf Wochen nur noch auf 55 von insgesamt 169 möglichen Sitzen im Parlament. Es wäre ein sattes Minus von 33 Sitzen gegenüber der Wahl vor vier Jahren.
Ganz anders ist das aktuelle Meinungsbild hingegen aufseiten der oppositionellen Mitte-Links-Parteien. Hier könnte es auf einen Anstieg von zuletzt 81 auf 114 Sitze hinauslaufen. Für Solbergs Werben um eine dritte Amtszeit als Premierministerin sind das alles andere als gute Zahlen.
Dabei sah es im letzten Jahr eigentlich noch gut aus für die amtierende Regierungschefin. Ihr strikter Kurs zur Eindämmung der Corona-Krise wurde angesichts niedriger Infektions- und Todeszahlen nicht nur in Norwegen gelobt. Ihre klare Kante kam an beim Wahlvolk.
Dem gegenüber standen und stehen jedoch spürbare wirtschaftliche Ungleichheiten im Land, die das linke Lager zusehends mobilisieren. Nun müsse endlich mal das „normale Volk an der Reihe sein“, zitiert Reuters einen der markigen Slogans, auf die die konservative Regierung derzeit keine gewinnbringenden Antworten zu haben scheint.
Stattdessen punktet die Opposition fleißig mit tiefgreifenden Forderungen nach Steuererleichterungen für Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen – und andererseits einer höheren Abgabenlast für die oberen 20 Prozent auf der Gehaltsskala.
Den womöglich größten Bock ihrer Laufbahn hat Solberg jedoch selbst geschossen, als sie im April von der Polizei zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Ausgerechnet wegen eines bekannt gewordenen Verstoßes in ihrer Spezialdisziplin: der Eindämmung von Corona.
Im Rahmen einer privaten Feierlichkeit hatten Solberg und Vertraute damals gut sichtbar gegen geltende Distanzregeln verstoßen. Ihrem Ansehen als aufrichtige, zupackende Staatsfrau scheinen diese Bilder schwer geschadet haben. Zu schwer, wie die aktuellen Zahlen vermuten lassen.
Bei den norwegischen Parlamentswahlen im Jahr 2017 hatte Solbergs Partei Høyre als zweitstärkste Kraft im Land 25 Prozent der Stimmen errungen. Als weitere Mitglieder der aktuellen Mitte-Rechts-Regierung folgten die Fortschrittspartei (Fremskrittspartiet) mit 15,2 Prozent sowie die Liberalen (Venstre) und die Christliche Volkspartei (Kristelig Folkeparti) mit 4,4 respektive 4,2 Prozent.
QUIZ
sh