Allein auf Trekking-Tour
Wandern zum Hårteigen, dem „Ayers Rock“ von Norwegen
Am 01. August stand ich nach einer entspannten Anreise zum Flughafen „Helmut Schmidt“ am Gepäckband mit gespanntem Blick auf die Anzeige. Bei Norwegian Air sind maximal 20 kg Gepäck zugelassen. Mit 19,7 kg hatte ich meinen Rucksack goldrichtig gepackt – das Abenteuer konnte beginnen.
Seit einem Jahr hatte mich der Gedanke beschäftigt, einmal über die Hardangervidda zu wandern und dabei den Hårteigen, den „Ayers Rock“ von Norwegen, aus der Nähe zu erleben. Die Frage war nur: starte ich aufgrund der höhenmäßig guten Ausgangslage in Finse (1.222 m) und laufe in den Süden, oder laufe ich andersherum und habe gleich zu Beginn einen sehr steilen Anstieg in Haukeliseter (834 m)?
Bei der zweiten Variante hätte ich den Hardangerjokulen als krönenden Abschluss meiner Tour. Ich entschied mich für den Start im Süden, in Haukeliseter, mit dem Ziel Finse.
Pünktlich um 15:30 Uhr hob der Flieger ab und bereits nach 1 ¼ Stunden begann der Landeanflug auf Oslo-Gardermoen. Nachdem ich relativ schnell meinen Rucksack auf dem Gepäckband entdeckt hatte, ging es mit dem Flytoget Expresszug Richtung Oslo-City.
Der Flytoget hat den Vorteil, dass er alle 10-20 Minuten fährt und in nur 20 Minuten an der Sentralstasjon von Oslo ist … dort angekommen, bin ich gleich in das erste Outdoorgeschäft gegangen, um mir die fehlende Gaskartusche zu besorgen. Die erste Ernüchterung war, dass diese dort komplett ausverkauft waren. Doch ich hatte Glück, in 200 m Entfernung entdeckte ich ein weiteres Sportgeschäft. Und in der Nähe davon, war noch eins – die Norweger sind ein sportliches Volk.
Dort gab es eine Riesenauswahl an Primus-Gaskartuschen. Ich entschied für die 250 Gramm-Variante und dazu habe ich noch ein klappbares Schaumstoffkissen zum Sitzen gefunden. Danach ging ich zum Saga Hostel, wo ich für die nächste Nacht ein Bett in einem 4-Bett-Zimmer gebucht hatte.
Auf diesem Zimmer lernte ich Asak aus Bodø kennen. Asak war bereits zweimal in der Hardangervidda auf Skiern unterwegs. Er wünschte mir viel Glück.
Am 02. August bin ich, nach einem hervorragenden Frühstück, voller Erwartungen in Richtung Busterminal gegangen, wo der Haukeliexpressen um 8:20 Uhr Oslo in Richtung Westen verließ. Nach 7 Stunden waren wir in Haukeliseter, außer mir verließen noch weitere vier Personen den Bus.
Jetzt stand ich mit meinem Rucksack am Rande des Parkplatzes, es fühlte sich an, wie am Rande der Welt. Mein erster Weg führte in die Welt zurück, in die Bäckerei, wo ich Zimt- und Vanilleschnecken gekauft und die ersten zwei gleich vor Ort gegessen habe. Gegen 16:30 Uhr ging es dann wirklich los. Der erste Anstieg.
Die Wanderung beginnt, der Knöchel knackt
Voller Erwartung kämpfte ich mich den Berg hoch und nach 2 Stunden hatte ich die erste Passhöhe erreicht und die ersten 420 m Höhenmeter erfolgreich überwunden. Dabei waren die Wege mal einfach zu gehen, dann wiederum wegen Steinen und Geröll nicht leicht zu überwinden. Während ich in Gedanken mit der Suche eines Schlaflagers beschäftigt war, stand plötzlich ein blökendes Schaf vor mir. Ich habe mich so erschrocken, dass ich mit meinem linken Fuß umgeknickt bin. Der Fuß fühlte sich nicht mehr ganz richtig an. Ein paar hundert Meter weiter entdeckte ich einen kleinen Bach mit einigen grünen Flicken, die für mein erstes Nachtlager hervorragend geeignet waren. Im Bach kühlte ich den Fußknöchel.
Nach einer ruhigen Nacht in der freien Natur bin ich gegen 6:00 Uhr erwacht. Ich machte mir Kaffee, eine Vanilleschnecke hatte ich noch von gestern, dazu gab es Beerenmüsli. Gegen 8:00 Uhr war ich bei herrlichem Sonnenschein bereit für meinen ersten ganzen Wandertag in Richtung Hellasbu.
Mein verletzter Fuß hatte sich nicht verschlechtert, ich verließ mich ganz auf den stabilen und hohen Wanderschuh von Hanwag als eine Art Schiene. Andererseits war ich skeptisch und unsicher, wie der Fuß die weiteren 140 km verkraften würde.
Schnell erreichte ich den Mannevatnet und setzte meinen Weg in Richtung Holmasjoen fort. Die vielen kleinen Inseln des Holmasjoen wirkten wie Schären auf mich, ich legte dort eine Pause ein, das Wetter herrlich warm.
Meine Gedanken schweiften über die Landschaft, die mich an Schwedisch Lappland erinnerte. Ich entschied mich, künftig meine Trekkingstöcke zu benutzen, auch um den lädierten Fuß zu entlasten.
Der folgende Abschnitt war schnell gequert. Im Anschluss näherte ich mich der höchsten Stelle der heutigen Etappe (1.393 m) am Rande des Amoteggi (1.468 m). Von dort folgte ein kurzer steiler Abstieg bis zum Simletindvatnet, wo ich meine erste Hängebrücke gequert habe.
Der weitere Weg führte mich entlang der Borda und gegen 17:30 Uhr erreichte ich über eine weitere Hängebrücke die Hellasbu-Hütte. Kurz vor der Hütte waren ein paar Zelte zu sehen und im Umfeld der Hütte saßen Wanderer, die an diesem Tag von Litlos nach Hellasbu gewandert waren.
Ich nutzte die Chance, mich über meinen nächsten Streckenabschnitt zu informieren. Nach einer längeren Pause und Auffüllen meiner Flaschen entschied ich mich, noch ein wenig in Richtung Litlos zu laufen. Nach 30 Minuten entdeckte ich einen schönen Schlafplatz in der Nähe eines kleinen Sees.
Da ich diesen ersten kompletten Wandertag doch ziemlich in den Knochen spürte, gab es am Abend nur ein paar kleine Snacks, einen Müsliriegel und Wasser. Gespannt war ich, wie mein linker Knöchel inzwischen wohl aussähe. Die Schwellung war nicht mehr stark, dafür war es um den Knöchel herum blau gefärbt.
Auf dem legendären Hardingslepa
Nachdem ich über 10 Stunden wunderbar geschlafen hatte, erwachte ich ohne Wecker um 6:30 Uhr. Nach einem entspannten Frühstück mit Müsliriegel und Kaffee brach ich gegen 8:30 Uhr in Richtung Litlos auf.
Diese Etappe stand im Zeichen der alten Legenden um dem Hardingslepa, einem alten Handelsweg über die Hardangervidda. Sogleich ging es über große Felsbrocken, die immer wieder den Pfad blockierten, durch das Buadalen. Legenden besagen, dass Räuber diesen schwierigen Weg nutzten, um Kaufleute und Viehhändler auszurauben und zu morden. Zum Glück war ich weder Vieh noch Händler.
Nach 2 Stunden erreichte ich die Passhöhe und nach einer weiteren Stunde legte ich am See Sigridtjoni meine erste Pause des Tages ein. Von dort folgte ein weiterer Anstieg zum höchsten Punkt (1.420 m) des heutigen Tages.
Nachdem ich diesen erfolgreich absolviert hatte, ging es nur noch bergab nach Litlos. Etwa 6 km vor Litlos näherte ich mich einem Fluss, dem Vesla Kvenno. Dort in der Nähe soll im 16. Jahrhundert eine gemeine Räuberbande gehaust haben. Jetzt stehen dort Jagdhütten.
Im weiteren Verlauf ging es über Geröllfelder und über grobe Steine, so dass sich der weitere Weg in die Länge zog. Gegen 15:30 Uhr entdeckte ich 4 km vor dem Ziel in der Ferne die DNT-Hütte von Litlos. Ich lächelte mit meinem ganzen Körper.
Bevor ich die letzten Kilometer für heute in Angriff nahm, legte ich eine kurze Pause ein. Relativ schnell erreichte ich den Litlosvatnet, einen See, an dem die Hütte lag.
Litlos ist ein Knotenpunkt auf der Hardangervidda. Viele Routen – ob von West-Ost oder von Süd-Nord – führen an der Litlos-Hütte vorbei. Gegen 17:00 Uhr stand ich vor der Hütte und gönnte mir als Belohnung eine eiskalte Cola. Diese tat richtig gut.
Wanderer passen aufeinander auf
Vor der Hütte kam ich mit einem Norweger ins Gespräch, den ich im Laufe des Tages schon häufiger gesehen und mich auch mit ihm unterhalten hatte. Er sprach deutsch. Wir diskutierten mein Problem mit dem linken Fuß. Danach verschwand er.
Nach kurzer Zeit standen er und ein weiterer Norweger mit Tape in der Hand vor mir. Damit stabilisierten sie meinen Fuß. Ich wusch den Fuß vorher, und innerhalb einer halben Stunde war dieser so verarztet, dass ich die nächsten Tage bequem wandern konnte.
Ich war meinen Wanderkollegen für die Hilfe dankbar. Nach 1 ½ Stunden setzte ich meinen Weg in Richtung Harteigen, dem Wahrzeichen der Hardangervidda, manchen bekannt als „Ayers Rock“ von Norwegen, fort.
Doch vorher erreichte ich gegen 20:00 Uhr mein heutiges Nachtlager an einem See entlang der Kuppe des Bekkheldane. Es war idyllisch, die Ruhe und die Natur, das kochende Wasser im Topf und ich – nicht in Worte zu fassendes Gefühl. Einsamkeit ist eine Sucht, wenn man weiß, dass sie nicht ewig währt.
Am nächsten Morgen wurde ich von zwei Schafen geweckt, ihre Glocken läuteten den Tag ein. Nach einem Frühstück mit Müsli und Kaffee war ich gegen 8:30 Uhr startklar. Nach 1 Stunde entspannten Trekkings entlang der Seenplatte Grondalsvatni und durch das Grondalen entdeckte ich in einiger Entfernung den Harteigen.
Harteigen, der Graue Wegweiser
Den weiteren Tag über kam ich gut voran, durchquerte das erste Schneefeld und zur Mittagszeit gönnte ich mir am Fuß des Harteigens eine längere Pause. Der Anblick war gigantisch. Für meine Strapazen wurde ich außerdem mit einer unfassbaren Fernsicht belohnt. Einfach traumhaft. Dazu spielte das sonnige Wetter mit.
Der Harteigen ist ein Tafelberg, ein Koloss aus Granit, mit 1690 m ü. M der zweithöchste Berg in der Hardangervidda. Sein Name bedeutet in etwa „Grauer Wegweiser“, und am Ende des Berges wies er mir zwei Wege auf: Sollte ich in Richtung Torehytten laufen oder direkt über das Gronodalen nach Hadlaskard zu wandern?
Wegen der Möglichkeit, einen Wandertag einzusparen und mir somit etwas Ruhe zu gönnen und mit Blick auf das Wetter entschied ich mich für den direkten Weg nach Hadlaskard.
Der Abstieg vom Harteigen über großes Geröll und Felsspalten war anstrengend und schwierig zu meistern. Hin und wieder habe ich sogar innerlich geflucht – worauf hatte ich mich hier während meines Urlaubes zur Erholung eingelassen? Dabei gab es Situationen, in denen ich meine Trekkingstöcke auf die nächste Stufe warf und rückwärts die Felsen hinunter ging.
Im weiteren Verlauf wurde es zum Glück besser und ich wanderte durch eine grüne und harmonische sowie mit kleinen Bächen durchzogene Landschaft. Hin und wieder gönnte ich mir ein paar kleinere Pausen. Der „Ayers Rock“ war jetzt in meinem Rücken, beim entsprechenden Umdrehen wirkte er trotz Entfernung immer noch magisch auf mich.
5 km vor Hadlaskard traf ich auf den Weg Richtung Torehytten. Nach kurzer Zeit musste ich den Fluss Viersdolo durchwaten. Auf dem weiteren Weg gab es Gestrüpp, Steine und kleinere Bäche zu überqueren. Gegen 18:00 Uhr entdeckte ich die Hütte von Hadlaskard und, wie bereits am gestrigen Tag, lächelte ich beim diesem Anblick.
Die „Königsetappe“ mit über 25 km war fast geschafft. Bereits nach kurzer Zeit entdeckte ich erste Zelte. In der Nähe eines Baches war heute für mich Schluss, ich baute mein Zelt auf.
Der Harteigen war noch zu sehen, auch wenn er hin und wieder durch Wolken verdeckt wurde. Zum Abendbrot gab es heute Labskaus aus der Tüte, geschmacklich ging es, selbst hergestelltes Labskaus wäre mir lieber gewesen.
Nachdem ich gegessen hatte und in meinem Schlafsack lag, fing es ganz leicht zu regnen an. Auf einmal gab es einen lauten Knall, Donnergeräusche, die sich wiederholten. Ich war verdammt froh und erleichtert, dass ich so zeitig gegessen und mein Zelt aufgebaut hatte.
Entspannt verfolgte ich das Gewitterschauspiel im Trockenen des Zeltes und der Wärme des Schlafsackes. Für solche Momente fährst du nach Norwegen.
Es waren nur noch 69 km bis nach Finse, die Hälfte meiner Tour war absolviert. Dieser erste Regen während meiner Tour zog sich lange hin, beim Gerausche des Regengusses schlief ich ein.
Am Morgen des 6. August galt mein erster Blick den Verhältnissen draußen. Der Himmel mit Wolken verhangen, zum Glück war es zum Abbau des Zeltes und Verpacken meiner Ausrüstung trocken genug. Nach den ersten Tagen, insbesondere dem gestrigen, war ich froh und erleichtert, trotz der Fußverletzung so viele Kilometer überstanden zu haben.
Das Wetter der nächsten Tage konnte ich nicht einschätzen. Davon würde meine weiteres Vorankommen abhängen.
Zum Frühstück zwei Müsliriegel und einen großen Pott mit Kaffee. Gegen 9:00 Uhr brach ich in Richtung Hedlo auf.
Während die anderen Hütten am Rande des Weges bewirtschaftete und unbewirtschaftete DNT-Hütten (DNT = Den Norske Turistforening) sind, ist die Hedlo-Turisthytta noch in Familienhand. Seit 1926 werden dort Touristen beherbergt. Zunächst bin ich die ersten Kilometer des Tages entlang der Veig gewandert. Nach zwei Kilometern entdeckte ich reizvolle und gut erhaltene Steinhütten des früheren Bergbauernhofes von Heimste Hadlaskard.
Von dort stieg ich zum höchsten Punkt (1.133 m) des Hadlaskardhalsen. Im Vergleich zu den bisherigen Steigungen war dieser Anstieg gut zu absolvieren. Oben angekommen, ging der Regen los. Ich musste aufpassen, insbesondere auf den Stein- und Felsplatten, nicht wegzurutschen.
Ich war verdammt froh, meine Trekkingstöcke dabei zu haben. Kurz vor Hedlo wurde aus Regen ein Wolkenbruch, es machte keinen Spaß zu wandern. Auf einmal sah ich die Hütte von Hedlo. Bis dahin war noch ein Birkenwald mit großen Steinen zu durchqueren. Pünktlich zur Mittagszeit stand ich an der Hütte, neben einem Müsliriegel gönnte ich mir eine längere Pause im Umkreis der Hütte. Regeneration im Regen.
Nach einer Stunde war der Wetterspuk vorbei, und ich wanderte weiter.
Zunächst folgten längere Passagen mit größeren Steinen. Nach 3 km meines weiteren Weges näherte ich mich dem Fluss Fljotdal. Erst überlegte ich kurz, direkt über den Fljotdalsfjellet (1.301 m) nach Liseth zu wandern.
Aufgrund des Wetters und der entsprechenden Höhenmeter entschied ich mich für den Weg nach Vivelid. Gegen 15:30 Uhr entdeckte ich die ersten Häuser von Vivelid. Irgendwie musste ich den Abzweig zur Fjellstova verpasst haben. Trotzdem gönnte ich mir an der Hauswand der kleinen Privathütte Storli eine Pause. Dabei kam ich mit einem Norweger ins Gespräch, der mich über eine in der nächsten Stunde beginnende und länger anhaltende Regenfront informierte. Na toll.
Ich lief den kurzen Weg wieder zurück, um nach zwei Flussquerungen (Veig und Vivo) in der Fjellstova von Vivelid nach einem freien Zimmer zu fragen.
Nach vier Tagen im Zelt habe ich wieder eine Nacht in einer Hütte übernachtet. Es gab Schuhtrocknungsmaschinen im Trockenraum – ein Detail, das mich in Hochstimmung versetzte. Ich ging duschen – Dusche und trockene Schuhe, der Himmel für einen Wanderer in Norwegen.
Die Regenfront konnte kommen, ich genoss die Gastfreundschaft und das vorzüglich schmeckende Abendessen, in einem Ambiente, das ich nicht anders als romantisch bezeichnen kann. In solchen Augenblicken wirken die Worte der Britin Elizabeth von Arnim besonders treffend: Wandern ist die vollkommenste Art der Fortbewegung, wenn man das wahre Leben entdecken will. Es ist der Weg in die Freiheit.
Nach einer eher unruhigen Nacht (bin ich schon etwa den Betten entwöhnt und ganz und gar ausgewildert?) gab es um 8:00 Uhr ein phantastisches Frühstück. Gegen 10:00 Uhr brach ich in Richtung Liseth auf. Die ersten 3,5 Kilometer lief ich gemeinsam mit einer Familie aus der Schweiz. Am Abzweig Satefjellet trennten sich unsere Wege, ich bog nach Liseth ab.
Die Landschaft und die Schuhe nass
Der Anfang war sogleich abenteuerlich. Zum Teil bin ich aufgrund der umgestürzten und quer liegenden Birken nur auf dem Boden krabbelnd vorwärts gekommen. Darüber hinaus sorgten einige Geröllfelder für ein paar unerwartete Kletterpartien. Der weitere Weg war hin und wieder schlammig und morastig, sodass ich nicht so schnell, wie ursprünglich geplant, vorwärts kam. Meine gerade erst getrockneten und sauberen Wanderstiefel waren schnell wieder dreckig und ein wenig feucht von innen.
Nach 5.5 km stand ich vor der Bergbauernsiedlung von Berastolen, von der ein Weg direkt nach Hedlo führt. Von dort ging es zunächst durch das Fagerli Tal. Im weiteren Verlauf erfolgte noch ein Anstieg auf den höchsten Punkt (1.137 m) des Tages.
Ich weiß nicht, wie viele Pässe und Anstiege ich bis dato bereits absolviert hatte. Ein paar An- und Abstiege würden in den nächsten Tagen bestimmt noch auf mich zukommen. An diesem Tage habe ich die östliche Bergflanke des Hallingehaugane (1.300 m) passiert.
Der weitere Weg zog sich wie Kaugummi in die Länge. Ich war erleichtert als ich mich nach Bachquerungen, Felsplatten und Steinen, holprigen Pfaden gegen 16:30 Uhr dem Fluss Bjoreio näherte.
Von dort waren es nur noch 1,3 km bis zur DNT Hütte von Liseth. Es war beschwerlich, dass dieser letzte Kilometer entlang der stark befahrenen Nationalstraße 7 lief. Nach einer halben Stunde saß ich auf der Terrasse der Hütte, um entspannt eine Cola zu trinken und dabei mein Lunchpaket von heute Morgen zu vertilgen.
Nach einer Stunde machte ich mich auf den Weg in Richtung Rembesdalseter. Erst ging es durch den Ort, über mehrere Blumenwiesen und entlang von Bächen. Entspannt und einfach zum Wandern. Am Rande eines Parkplatzes, oder am Ende eines Ortes mit einer Ferienhaussiedlung begann der Anstieg in Richtung Voringfossen bzw. Rembesdalseter.
Auf halber Höhe zum ersten Pass der Etappe kam mir eine Norwegerin entgegen. Wir kamen ins Gespräch, sie empfahl mir einen Zeltplatz knapp unterhalb des Passes am Rande eines kleinen Bergsees. Darüber hinaus erfuhr ich, dass es sogar einen Hardangervidda-Marathon gibt.
Die Hardangervidda Marathon und Halbmarathon finden jedes Jahr Ende August statt. Die Sportler laufen in dieser fantastischen Natur mit ihrem abwechslungsreichen Terrain. Sie benutzen Hochgebirgspfade, überqueren Flüsse und laufen in engen Tälern in Eidfjord. Dicht am Gletscher Hardangerjøkulen, dem Wasserfall Voringsfossen und dem Hochgebrirgsplateau Hardangervidda.
Eindrücke vom Hardangervidda Marathon im Video
Es ging immer höher, an den Hütten von Smytte vorbei bis auf 1.200 m. Um 20:30 Uhr sah ich endlich den kleinen See unterhalb des Passes. Ein herrlicher Fleck zwischen den Anhöhen Store Ishaug (1.485 m) und Vesle Ishaug (1.303 m). Dazu ein Sonnenuntergang in der freien Natur. Ein herrlicher Moment, den ich nicht vergessen werde. Das Zelt war schnell aufgebaut und das Wasser aus dem angrenzenden See schnell erwärmt. Es waren nur noch rund 35 km bis zum Ziel in Finse. Inzwischen zählte jeden einzelnen zurückgelegten Meter.
Die Nacht war entspannt. Am Morgen wurde ich wieder von Schafen geweckt. Die Tour in Richtung Rembesdaleseter würde nicht einfach sein, darum brach ich früher auf als sonst.
Nach der Passüberquerung war es in den nächsten Stunden schwierig zu wandern. Immer wieder zogen Nebelfelder auf. Dieses hat meine Sicht so stark eingeschränkt, dass ich kein „T“ als Wegmarkierung zu erkennen vermochte. Jedes Mal wartete ich ab, bis sich die Nebelwände verzogen, damit ich die nächsten Meter sehen konnte.
Nach und nach kam ich vorwärts. An eine Fernsicht über die Täler war nicht zu denken.
Ich hatte Glück, dass ich den Weg entlang der Abbruchkante ins Simadalen. Beim Abstieg vom Torkjelshodgi und der Steilwand des Skornauten hinunter zum Staudamm des Rembesdalsvatnet war absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit gefragt. Diese Passage war, auch wegen des einsetzenden Regens, die schwierigste Passage auf der gesamten Tour.
Ich musste jeden einzelnen Schritt genau prüfen. Zwischendurch ging es für mich rückwärts die Felsen hinunter. Ich war erleichtert, als ich nach dem immensen Abstieg auf dem Staudamm des Rembesdalsvatnet stand.
Von dort aus sah ich bereits die SB-Hütten von Rembesdaleseter. Nichtdestoweniger waren es noch 3,5 km bis zur Hütte.
Vom Staudamm musste ich um einen Berg herum laufen. Erst ging es einen normalen Weg entlang, nach 1 km über einen kleinen Damm und nach einem weiteren Kilometer kam eine Furt, ich hatte keine Lust meine Schuhe auszuziehen. Zum Glück war das Wasser nicht so hoch, so dass ich die Furt in Schuhen queren konnte.
Ich war glücklich, am Abend endlich vor der Hütte von Rembesdaleseter zu stehen.
Inzwischen regnete es stark. Ich beschloss kurzerhand, auf den Aufbau des Zeltes in dieser Nacht zu verzichten. Stattdessen übernachtete ich in der SB-Hütte, wo ich meine Ausrüstung am Ofen trocknen konnte.
Die Hütte war so aufgebaut, dass vom großen Aufenthaltsraum mit Küche und Ofen die einzelnen Schlafräume abgingen. Nach und nach kamen immer mehr Wanderer, sodass am späteren Abend alle Schlafplätze belegt waren.
Es freute mich, unter den Wanderern einen Deutschen auszumachen, mit dem ich am nächsten Tag gemeinsam nach Finse gehen sollte. Gegen 7:00 Uhr klingelte der Wecker. Mein erster Blick aus dem Fenster versprach einen traumhaften letzten Wandertag nach Finse. Gegen 9:00 Uhr waren wir beide soweit, aufzubrechen. Wir verabschiedeten uns von allen Wanderkollegen mit einem „God Tur“.
Wie vermutet war der erste Anstieg 960 m auf 1.295 m recht knackig und anspruchsvoll. Es ging über Steine, Felsplatten oder einfach nur den Berg hinauf. Nach anderthalb Stunden waren wir auf dem Lurreggane und wir gönnten uns eine Pause.
Wenn ich mir vorstelle, wie es bei Regen am Vortag gewesen wäre. Ein Alptraum.
Oben angekommen, ging es mal hoch, mal runter. Die Landschaft mit den vielen Bergseen, Bergen, Moos und Felsen übten heute eine besondere Wirkung auf mich aus. Es ist jenseits aller Worte, und auch ein Bild könnte es nicht beschreiben. Man muss selbst da gewesen sein.
Nach dem Anstieg auf der Schlussetappe, genoss ich das großartige Bilderbuch der Natur. Am frühen Nachmittag sahen wir endlich den Gletscher Hardangerjokulen das erste Mal aus der Nähe. Die Sonneneinstrahlen erzeugten Farbenspiele auf dem Eis. Ein faszinierender Anblick, wie der Rücken eines gigantischen Urwesens, hoffentlich lebt es noch lange.
Kopfüber im Bach? Ein Bier 9 Euro? – Egal!
Es folgte der letzte richtige Anstieg auf 1.500 m, nur noch 6,6 km bis zum Ziel Finse.
Auf dem Dyrhaugane (1.583 m) ist eine Radiosendestation installiert. Während der Anstieg relativ bequem zu meistern war, war der letzte Abstieg nicht einfach. Wie immer ging es über Steine, Felsplatten und dazu über mehrere Schneefelder, wobei eines der Schneefelder besonders tückisch war. Dazu kam eine Bachquerung, eine glitschige Angelegenheit, selbst mit meinen Trekkingstöcken konnte ich kaum Halt finden.
Ich rutschte aus und landete mit dem Kopf im Wasser. Es war herrlich erfrischend. Meine Oberbekleidung und Hose klitschnass. Erstaunlich, meine Geldbörse, das Smartphone und der Fotoapparat überstanden schadlos den Sturz. Ich konnte den Rest der Etappe ohne Umziehen fortsetzen.
Eine kleine Schwierigkeit bei einer Hängebrücke noch und wir standen zu unserer gemeinsamen Freude um 19:30 Uhr endlich auf dem alten Transportweg „Rallarvegen“, 3 km vor dem Ziel.
Diese letzten 3 km verliefen auf einem normalen Weg entlang der alten Bahnstrecke. Ein herrliches Gefühl, dem Ziel meiner Tour nach 8 Tagen Wanderung immer näher zu kommen. Um 20:30 Uhr betrachten wir schließlich das Gebäude der Finsehytta.
Wir waren beide ziemlich kaputt und erledigt. Zwar waren alle Zimmer belegt, ein Bett/Platz in einem Schlafsaal war noch frei. Nach einer kurzen Erfrischung in der Dusche gönnten wir uns ein gemeinsames Bierchen aus der Microbyggeri der Hütte. Ein herrliches Gefühl. Dabei spielte der Preis für das Bier von 9,00 Euro keine Rolle.
Am nächsten Tag regenerierte ich mich bei regnerischem und kaltem Wetter. Durch meine Abkürzung bei der Hälfte der Tour gewann ich einen Tag Zeit, den hatte ich mir auch verdient.
Am 10. August fuhr ich mit der Bergen-Bahn nach Oslo. Von 1.222 m ging es in 4,5 Stunden bis auf den Meeresspiegel. Pünktlich um 14:45 Uhr war ich wieder in der großen, lauten Welt.
Was vergeht: Schmerz in Muskeln und Gelenken, was bleibt: wohlige Erinnerungen an anspruchsvolle Wandertage über die Hardangervidda. Zum Glück sind sie vorbei, – würde ich jeder Zeit wiederholen.
Text und Bilder von Hendrik Brase