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Zusammenhänge zwischen Klimawandel und extremem Wetter anschaulich dargestellt

Wie viel Klimawandel steckt im Wetter?

Wie stark beeinflusst der Klimawandel unser Wetter? Wie viel Klimawandel steckte im Sturmtief „Jakob“, der Anfang des Monats Norwegen mit Hochwasser und Erdrutschen überzog. Neue Simulationen des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) erlauben es, extreme Wetterereignisse unter verschiedenen Klimaszenarien zu vergleichen und die Rolle der globalen Erwärmung dabei zu bewerten.

Klimawandel und Sturmtief Hans
Das Sturmtief „Hans“ richtete im verganegen Jahr große Schäden in Norwegen an. Wäre der Sturm ohne den Beitrag des Klimwandels dazu schwächer ausgefallen?. (Foto: Norwegisches Straßenamt)
Nicht nur „Jakob“, auch Sturm „Boris“ verursachte vor wenigen Wochen mit seinen heftigen Regenfällen schwere Überschwemmungen in Mittel- und Osteuropa. Eine AWI-Analyse zeigt: Ohne die derzeitige Erderwärmung hätte Boris rund neun Prozent weniger Niederschlag gebracht. Dank eines innovativen Modellierungsansatzes namens „Storylines“ lassen sich solche Schlussfolgerungen ziehen.

Wie dieser Ansatz in nahezu Echtzeit funktioniert, beschreibt eine aktuelle Veröffentlichung in der Zeitschrift Nature Communications Earth & Environment. Außerdem hat das AWI-Team ein frei zugängliches Online-Tool bereitgestellt, mit dem Nutzer die Klimawandel-Einflüsse auf aktuelle Extremwetterereignisse analysieren und eigene Vergleichsgrafiken erstellen können.

Hat der Klimawandel zu Katastrophen beigetragen?

Was hat Klimawandel mit dem Wetter zu tun?
Niederschlagsmengen des Sturms „Boris“ vom 12. bis 16. September 2024. (Darstellung: Marylou Athanase / Alfred Wegener Institute)
Mitte September brachte der Sturm „Boris“ sintflutartige Regenfälle und massive Überschwemmungen über Polen, die Tschechische Republik, Österreich und Rumänien. In einigen Regionen wurden die höchsten Niederschlagsmengen gemessen, die je innerhalb von fünf Tagen registriert wurden.

Mindestens 27 Menschen kamen ums Leben, und viele Familien mussten ihre Häuser verlassen. Während die Lage sich inzwischen stabilisiert hat und die Aufräumarbeiten auf Hochtouren laufen, gibt es bereits neue Wetterextreme, diesmal in Spanien, die Sorgen bereiten.

In Norwgen führte das Extremwetter „Jakob“ zu Überschwemmungen und Erdrutschen.

In der Öffentlichkeit, der Politik und den Medien steht immer wieder eine drängende Frage im Raum: Hat der Klimawandel zu diesen Katastrophen beigetragen?

„Die Wissenschaft kann heute fundierte Antworten auf diese berechtigte Frage liefern“, erklärt Dr. Marylou Athanase, Physikerin der Sektion Klimadynamik am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

„Mit sogenannten probabilistischen Attributionsstudien lassen sich bereits ein bis zwei Wochen nach einem Ereignis erste Einschätzungen treffen, wie viel wahrscheinlicher es durch den Klimawandel geworden ist.“

Werkzeug, um den Einfluss des Klimawandels auf das Wetter anschaulich darzustellen

simulierte Niederschlagsmengen
Beobachtungen und simulierte Niederschlagsmengen (Darstellung: Marylou Athanase)
Das Problem ist, dass Wahrscheinlichkeiten oft schwer fassbar sind, besonders wenn sie mit außergewöhnlichen realen Ereignissen kollidieren. Für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern fehlte es der Wissenschaft bislang an einem Werkzeug, um den Einfluss des Klimawandels auf das Wetter anschaulich darzustellen.

„Deshalb haben wir am AWI den ‚Storyline‘-Ansatz entwickelt“, erläutert Dr. Antonio Sánchez-Benítez, Physiker in der Abteilung Klimadynamik und Mitautor der Studie.

„Dieser Ansatz basiert auf dem ‚Was wäre wenn‘-Prinzip: Wie hätte eine Katastrophe in einer Welt ohne Klimawandel ausgesehen? Und wie in einem wärmeren Klima? Indem wir diese hypothetischen Szenarien mit der Realität vergleichen, können wir den Einfluss des Klimawandels sichtbar machen – sowohl bei extremen Wetterereignissen als auch beim alltäglichen Wetter.“

Am Beispiel des Sturms „Boris“

In der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications Earth & Environment haben die AWI-Experten am Beispiel des Sturms „Boris“ veranschaulicht, was der neue „Storyline“-Ansatz leisten kann.

Der Vergleich verschiedener Szenarien zeigt, dass Boris ohne die globale Erwärmung rund neun Prozent weniger Regen abgeladen hätte. Auf seinem Weg vom östlichen Mittelmeer und Schwarzen Meer nach Mitteleuropa gewann der Sturm jedoch an Intensität, da das Wasser dort etwa zwei Grad Celsius wärmer war als vor der Industrialisierung.

Diese Erwärmung führte zu einem höheren Wasserdampfgehalt in der Luft. Neun Prozent mögen gering erscheinen, aber bei Starkregenereignissen zählt jedes zusätzliche Wasser, das über Flüsse, Dämme oder Abwassersysteme fließt und potenziell immense Schäden anrichtet.

Wie gelingt es den AWI-Experten, die Klimamodell-Simulationen, die auf langfristige Trends abzielen, mit dem aktuellen Wetter zu verbinden?

„Ein Schlüssel ist das sogenannte ‚Nudging’“, erklärt Dr. Helge Gößling, Klimaphysiker und Leiter der Storyline-Forschung am AWI.

„Klimamodelle simulieren normalerweise eine Reihe von Wetterbedingungen, die auf den physikalischen Gesetzen basieren, denen sie unterliegen. Diese Abfolgen sind jedoch zufällig. Um Klimaveränderungen zu erfassen, muss man langfristig untersuchen, ob sich die Mittelwerte und Verteilungen verschieben.“

„Dann ändern wir das Hintergrundklima des Modells, z. B. auf eine vom Klimawandel unberührte Welt, indem wir die Treibhausgaskonzentrationen reduzieren und andere Aspekte anpassen, und wiederholen das Experiment“, so Gößling zum einfachen aber cleveren Prinzip.

Verständnis der Zusammenhänge zwischen Klimawandel und extremem Wetter

Das verwendete Modell ist die CMIP6-Version des AWI-Klimamodells, das auch Grundlage für den Sechsten Sachstandsbericht des IPCC war. Die eingespeisten Winddaten stammen aus der ERA5-Reanalyse des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF).

„Mittlerweile ist unser System so automatisiert, dass die täglichen Wetteranalysen auf dem Supercomputer des Deutschen Klimarechenzentrums (DKRZ) durchgeführt werden“, berichtet Marylou Athanase.

Die Ergebnisse werden dann in ein frei zugängliches Online-Tool auf den AWI-Servern übertragen, climate-storylines.awi.de.

Die Analysen, mit einer Verzögerung von drei Tagen, bieten interaktive Karten und Zeitleisten, um das „Klimasignal des Tages“ für extreme und alltägliche Wetterereignisse weltweit in nahezu Echtzeit zu visualisieren.

Aktuell stehen Daten zu Temperatur und Niederschlag ab dem 1. Januar 2024 bereit.

„Unser Ziel ist es, ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge zwischen Klimawandel und extremem Wetter zu schaffen und der Öffentlichkeit sowie den Medien zeitnahe und fundierte Informationen bereitzustellen“, so Athanase.

Die Autoren veröfgfentlichete ihre Studie unter dme Titel „How climate change intensified storm ‚Boris‘ extreme rainfall, revealed by near-real-time storylines. Nature Communications Earth & Environment“.

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