Lost Place der etwas anderen Art
Schottland: die Woodhead-Bleimine – industrielles Geisterdorf mit kurzer Blüte
An einem abgelegenen Berghang im Süden Schottlands lebten einst mehr als 300 Einwohner. Die Woodhead-Bleimine nahe Carsphairn in der Region Dumfries and Galloway garantierte ihnen ein zwar hartes, aber sicheres Auskommen. So schien es jedenfalls.
Fotos: Scotland Starts Here (www.scotlandstartshere.com)
Heute sind von dem ehemaligen Industriestandort nur noch einzelne Gebäude und Mauerreste übrig. Kaum vorstellbar, dass hier einmal Menschen wohnten, arbeiteten und für den Lebensweg ausgebildet wurden. Die letzten Bewohner zogen in den 1950er Jahren aus.
Etwa 100 Jahre zuvor erlebte die Mine ihre kurze, aber wirtschaftlich in vielerlei Hinsicht vielversprechende Blütezeit. „Im Jahr 1851 gab es hier 39 Häuser, mit insgesamt 301 Einwohnern“, schildert Anna Campbell, eine Historikerin aus der Region, der BBC.
Es war die Zeit, als hier nicht nur geschuftet, sondern für damalige Zeiten offensichtlich auch gut gelebt wurde. Gebaut wurde massiv, es gab eine Schule, sogar eine Bibliothek – und ein Stück weiter eine Kirche für die Gemeinde.
„Damals müssen fast 50 Kinder die örtliche Schule besucht haben“, ist sich Campbell sicher, was in gewisser Weise zeigt, dass man rund um die Woodhead-Bleimine einen ziemlich konkreten Plan vom Leben hatte.
Und zwar einen langfristigen, sonst wären neben harter Arbeit wohl nie Kind und Kegel sowie Bildung und Kultur in dieser kargen, sehr dünn besiedelten Region am Rande des heutigen Galloway Forest Park sesshaft geworden.
Das Ende der Mine kam schnell – und damit das Ende der Gemeinde
Doch es kam anders, denn die Bleimine, die erst 1838 durch Zufall entdeckt worden war, verlor binnen weniger Monate rasant an Bedeutung. „Ab 1853 brach der Bleipreis ein, und die Arbeit dort oben wurde immer schwieriger. Da war klar, dass die Bergleute abwandern würden“, sagt Campbell.
Viele jedenfalls, wie den Aufzeichnungen zu entnehmen ist, um einerseits im nahe gelegenen Dalmellington ihr Glück zu suchen. Oder gleich in Übersee, in den Minen Amerikas oder Australiens. Schon 1861 lebten in Woodhead laut Campbell nur noch sehr wenige Menschen.
Blei wurde dort zwar noch bis um das Jahr 1873 abgebaut, aber eben nur noch auf geringem Niveau. Rund 35 Jahre nach ihrer Eröffnung war die Mine, die einst so vielen Familien langfristig den Lebensunterhalt hätte sichern sollen, schon wieder Geschichte.
„Wenn man heute dorthin geht, ist es ein erstaunlicher Anblick, weil sich der Ort über ein großes Gebiet erstreckt. Vieles davon ist noch als Ruine erhalten. Es ist eine dieser Stätten, die wirklich die Fantasie anregen und die Menschen überraschen“, beschreibt Campbell.
Damit der unaufhaltsame Verfall von Woodhead nicht auch die Erinnerung auslöscht, werden die Strukturen des Ortes in diesen Tagen aufwendig dokumentiert und vermessen. Die Ruinen der Bleimine liegen ein Stück westlich von Carsphairn. Wer auf verfallenen Industriecharme steht, sollte unbedingt mal hin.
Zu erreichen ist das Areal über einen Weg, der auf der A713 etwa anderthalb Kilometer hinter Carsphairn (Richtung Ayr) nach links abgeht. Auf der Webseite der winzigen Ortschaft gibt es ein interessantes Fotoarchiv zur Mine.
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