Eine lohnendes Reiseziel in den schottischen Highlands
Wester Ross, das bekannte Unbekannte
Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, Wester Ross befindet sich auf dem schottischen Festland ziemlich genau gegenüber dem Nordflügel der Isle of Skye. Von beiden Küsten hat man bei gutem Wetter sensationelle Ausblicke auf die jeweils gegenüberliegende, besonders Sonnenauf- und untergänge sind im Frühling und Herbst einmalig.
Die Anfahrt über Kinlochewe Richtung Gairloch entlang des Loch Maree ist alleine schon eine Reise wert. Hält man sich an der Gabelung Kinlochewe dagegen links, wird es noch spektakulärer. Die Torridons kommen recht schnell ins Bild und traut man sich den Pass nach Lower Diabaig zu nehmen, kann man das heutzutage leider überlaufene Applecross eigentlich getrost vergessen.
Ein kleiner Abzweig führt von der A832 in Richtung Shieldaig. Das Schild, welches diesen anzeigt, wird gerne übersehen, aber wenn Sie es schaffen, den Blinker rechtzeitig zu setzen und links abzubiegen, dann wird es schon nach wenigen Kilometern richtig einsam. Hier ist das Verhältnis Schaf vs. Mensch schätzungsweise 100 zu 1.
Die kleine schmale Straße endet nach ca. neun langsamen Meilen am Red Point Beach. Es gibt durchaus BnB’s und Ferienwohnungen, man sollte sich aber aktuell informieren, da die Besucherfrequenz in dieser Gegend eher niedrig ist und die Fluktuation an Gastgebern daher hoch einzuschätzen ist. Ich selbst genoss einige Zeit die Gastfreundschaft des Croft 23, welches aber inzwischen leider geschlossen ist.
Der Red Point Beach liegt gegenüber der Skye und bietet neben einem seinesgleichen suchenden Sandstrand, spektakuläre Ausblicke auf die Torridons und Skye und wenn man einen echten Lauf hat, sieht man Wale durch den Sund schwimmen.
Mit Gairloch liegt eine »Metropole« der nördlichen Highlands in Reichweite.
Hier kann man sich versorgen, es gibt jede Menge Übernachtungsmöglichkeiten und in der Nähe vom nördlicher gelegenen Poolewe haben Sie die Möglichkeit, mit dem Inverewe Garden eine der schönsten Gartenanlagen Schottlands zu besuchen. Die lange aber kurzweilige Fahrt nach Ullapool bietet für den geneigten Autoenthusiasten einige klassische, typisch schottische Fahrstrecken mitsamt entsprechenden Aussichten.
Die Gegend um den gigantischen, sphinxartigen Berg Baosbheinn bietet genug Pfade und Wanderwege, um einen kompletten Urlaub zu füllen. Eine dieser Wanderungen führte meine Frau Sabine und mich an die Ufer des Loch Gaineamhach, ein nasses Unterfangen, doch lesen Sie den Bericht am besten selbst:
Die Wanderung zum Loch Gaineamhach und dem Berg Baosbheinn
Aua, Ächz, Stöhn … So lässt sich unser Wohlbefinden am Morgen nach der Wanderung vom Parkplatz an der Shieldaig Lodge zum Loch Gaineamhach beschreiben. Was bewegt uns dazu, immer wieder enorme Reisestrapazen auf uns zu nehmen, nur um von midges gefressen zu werden? Genau! Das Laufen in der Natur.
Und gestern erwanderten wir ein schönes Stück Schottland, besser gesagt einen Teil des Bezirks Wester Ross auf der Rückseite der bekannten und unvergleichlichen Landschaft der »Torridons« genannten Munros.
Der Vorschlag zur Wanderung kam vom sehr netten Gastgeberpaar, den Inhabern des »Croft23«. Wir erinnern uns nicht mehr an den exakten Wortlaut, aber es klang ähnlich wie: »a bit muggy but beautiful«. Weder meine wundervolle Ehegattin noch ich, wussten zu diesem Zeitpunkt, was »muggy« bedeutete. Das sprachliche Defizit sollte jedoch im Laufe des Tages behoben werden.
Wir starteten um zehn Uhr an einem herrlichen Morgen mit blauem Himmel und nach einem ausgedehnten Full Scottish Breakfast. Kaum auf dem Parkplatz an der Shieldaig Lodge aus dem Auto ausgestiegen, erlagen wir beinahe einer groß angelegten Midges-Offensive. Mir hätte es eigentlich jetzt schon gelangt. Lieber erstmal in einem Pub einen Whisky trinken und warten, bis ein Wind aufkäme. Meinen dahingehenden konstruktiven Vorschlag lehnte die beste Ehefrau von allen erwartungsgemäß rigoros ab. Also statt Whisky hieß es »Autan« und »Skin so soft«.
Los ging es, wie es sich für anständige Wanderer gehört, einem Plan und einer Karte folgend, in ein kleines Wäldchen hinein.
Sogleich machten wir erste Bekanntschaft mit einer unangenehmen, ständig irgendwo, mal mitten auf dem Weg, mal versteckt, aber immer hinterhältig lauernden, speziell und in dieser Häufigkeit nur in Schottland vorkommenden, gefährlichen und leider permanenten Begleitung: »Der gemeinen schottischen Highlandpfütze«.
In diesem wunderschönen Wäldchen erlebten wir ein erstes Basisseminar zum Thema »Wie umgehe ich eine Pfütze ohne nasse Füße«. Ergebnis: »Vergiss es«. Da wir über hervorragendes Schuhwerk verfügen, blieb uns der komplette »Untergang« fürs Erste erspart.
Die clevere Gattin zog sich zusätzlich zu dichten Schuhen Stulpen an. Ich hielt eine solch drastische Maßnahme zu so einem frühen Zeitpunkt der Wanderung für übertrieben. Man ist ja schließlich nicht Dagobert Duck in Gamaschen.
Der Plan sah vor, dass wir nach ungefähr zehn entspannten Kilometern am Loch Gaineamhach nahe dem Berg Baosbheinn ankämen. Laut Beschreibung der Locals würde am Ziel ein herrlicher Ausblick auf die Rückseite der Torridon Hills auf uns warten.
Bis in die Haarspitzen motiviert, krabbelten wir weiter durch ansteigendes, typisches Highlandgelände. Damit beschäftigt, Pfützen auszuweichen und matschiges Gelände zu umlaufen, riss uns nach zwei anstrengenden Kilometern unsanft Baulärm aus dem Walking-Flow.
Ein großer Bagger durchlöcherte das angrenzende Moor wie einen Schweizerkäse, was uns zu allerlei Spekulationen veranlasste. Wir diskutierten über Moorbelüftung, Drainage für Kuhweiden oder ein neuartiges Steckspiel. Wie sich herausstellte, baggerte man die Löcher für noch zu pflanzende Bäume. So kann man sich irren.
Nach einer kurzen Pause ging es zielorientiert Richtung Horizont und der dort sichtbaren Sphinx mit dem unaussprechlichen Namen. Wir überquerten einen kleinen Wasserfall unter Zuhilfenahme einer echt schottischen Brückenkonstruktion. Mitarbeiter deutscher Bau- und Ordnungsämter würden mit Verbotsformularen wedeln und anschließend in Ohnmacht fallen, hätten sie Kenntnis einer solchen Konstruktion auf einem öffentlich zugänglichen Wanderweg. Hier denkt man sich wahrscheinlich: »Who care’s, it works.«
Eine halbe Stunde später erblickten wir die ersten Ausläufer eines Flusses. Mal Wildbach, mal Wasserfall, begleitete er uns bis zum Ziel.
Mithilfe des Gewässers verwandelte sich der Rest des Weges – bis dahin immerhin noch so etwas wie ein Pfad – langsam in eine unübersichtliche Pfützen- und Moorlandschaft. Man konnte es mittlerweile nicht mehr Laufen nennen, es war Pfützenhopping und Schlammcatchen. Nach jedem zweiten Schritt war ein Ausweichmanöver notwendig und das Schmatzen von aus tiefem Matsch gezogenen Schuhen zu hören.
Zwischendurch belohnte uns die Natur mit Wasserfällen, mächtigen Bergen, schönen Birkenwäldchen und schottischer Tundra. Wir beobachteten jede Menge Vögel, auch schnatternde Gänse am blauen Himmel, die in V-Formation gen Süden zogen.
Das aufgeregte Quaken begleitete uns den gesamten klaren Tag. Immer wieder tauchte die Isle of Skye aus ihrer permanenten Nebelbank auf. In diesen Augenblicken bekam man das Gefühl, mit einer Hand einfach hinüberlangen zu können, so nahe erschien uns die Königin der Hebriden.
Natürlich gab es weiterhin jede Menge Wasser um uns herum. Ich kam ob der Idee, die Gamaschen lieber im Rucksack mit mir herumzutragen, deutlich ins Grübeln. Meine Hosen nahmen bereits die Farbe des Moores an. Das ständige arhythmische Laufen, das dauernde Herausziehen der Schuhe aus nassen, schwarzen Löchern forderte langsam seinen Tribut.
Zum Teil liefen wir auf Wellblechen, die irgendein crofter (schottisch für Bauer im Nebenerwerb) an besonders sumpfigen Stellen abgelegt hatte, um nicht mit dem Quad zu versinken. Die tiefen Spuren der Geländefahrzeuge machten das Laufen auch nicht einfacher. Und gerade als wir, körperlich an unserer Leistungsgrenze angelangt, beschlossen umzukehren und Plan und versprochenen Ausblick links beziehungsweise hinter uns liegen zu lassen, erreichten wir doch noch das Ziel.
Welch fantastischer Anblick, welch fantastisches Panorama. Der tiefblaue, klare See, auf dessen Oberfläche sich die Sphinx spiegelte, der Strand, die neugierige Tierwelt, null Midges. Und welch fantastische Idee, den Campingkocher mitzunehmen und direkt am weißen Sandstrand eine Büchse Mac and Cheese zu brutzeln.
Auf einer mitgebrachten Decke liegend, genossen wir die Umgebung und die Mahlzeit in vollen Zügen.
Leider wurde es viel zu früh Zeit, die nicht vorhandenen Zelte abzubrechen und uns auf den Heimweg zu machen. Nicht ohne vorher Gamaschen und Schwimmflügel anzuziehen.
Zurück bahnten wir uns vergleichsweise schnell, da bergab, einen Weg durchs nasse Geläuf und so kamen wir nach insgesamt sieben wunderbaren Stunden und, im Vergleich zu normalen Verhältnissen, wenigen achtzehn Kilometern wieder am Auto an. Matschnass, aber glücklich.
Der Abend im Pub, bei einem halben Pint Lager und Fisch und Cajun-Huhn-Burger, verlief unspektakulär. Die Bedienung weckte uns nur, um uns die Rechnung vorzulegen.
Unser QUIZ zum Thema SCHOTTLAND