Eine lohnendes Reiseziel in den schottischen Highlands
Wester Ross, das bekannte Unbekannte
Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, Wester Ross befindet sich auf dem schottischen Festland ziemlich genau gegenüber dem Nordflügel der Isle of Skye. Von beiden Küsten hat man bei gutem Wetter sensationelle Ausblicke auf die jeweils gegenüberliegende, besonders Sonnenauf- und untergänge sind im Frühling und Herbst einmalig.
(Foto: © Andreas Prodehl)
Hier kann man sich versorgen, es gibt jede Menge Übernachtungsmöglichkeiten und in der Nähe vom nördlicher gelegenen Poolewe haben Sie die Möglichkeit, mit dem Inverewe Garden eine der schönsten Gartenanlagen Schottlands zu besuchen. Die lange aber kurzweilige Fahrt nach Ullapool bietet für den geneigten Autoenthusiasten einige klassische, typisch schottische Fahrstrecken mitsamt entsprechenden Aussichten.
Die Wanderung zum Loch Gaineamhach und dem Berg Baosbheinn
(Foto: © Andreas Prodehl)
Und gestern erwanderten wir ein schönes Stück Schottland, besser gesagt einen Teil des Bezirks Wester Ross auf der Rückseite der bekannten und unvergleichlichen Landschaft der »Torridons« genannten Munros.
Der Vorschlag zur Wanderung kam vom sehr netten Gastgeberpaar, den Inhabern des »Croft23«. Wir erinnern uns nicht mehr an den exakten Wortlaut, aber es klang ähnlich wie: »a bit muggy but beautiful«. Weder meine wundervolle Ehegattin noch ich, wussten zu diesem Zeitpunkt, was »muggy« bedeutete. Das sprachliche Defizit sollte jedoch im Laufe des Tages behoben werden.
Wir starteten um zehn Uhr an einem herrlichen Morgen mit blauem Himmel und nach einem ausgedehnten Full Scottish Breakfast. Kaum auf dem Parkplatz an der Shieldaig Lodge aus dem Auto ausgestiegen, erlagen wir beinahe einer groß angelegten Midges-Offensive. Mir hätte es eigentlich jetzt schon gelangt. Lieber erstmal in einem Pub einen Whisky trinken und warten, bis ein Wind aufkäme. Meinen dahingehenden konstruktiven Vorschlag lehnte die beste Ehefrau von allen erwartungsgemäß rigoros ab. Also statt Whisky hieß es »Autan« und »Skin so soft«.
Sogleich machten wir erste Bekanntschaft mit einer unangenehmen, ständig irgendwo, mal mitten auf dem Weg, mal versteckt, aber immer hinterhältig lauernden, speziell und in dieser Häufigkeit nur in Schottland vorkommenden, gefährlichen und leider permanenten Begleitung: »Der gemeinen schottischen Highlandpfütze«.
In diesem wunderschönen Wäldchen erlebten wir ein erstes Basisseminar zum Thema »Wie umgehe ich eine Pfütze ohne nasse Füße«. Ergebnis: »Vergiss es«. Da wir über hervorragendes Schuhwerk verfügen, blieb uns der komplette »Untergang« fürs Erste erspart.
Die clevere Gattin zog sich zusätzlich zu dichten Schuhen Stulpen an. Ich hielt eine solch drastische Maßnahme zu so einem frühen Zeitpunkt der Wanderung für übertrieben. Man ist ja schließlich nicht Dagobert Duck in Gamaschen.
Der Plan sah vor, dass wir nach ungefähr zehn entspannten Kilometern am Loch Gaineamhach nahe dem Berg Baosbheinn ankämen. Laut Beschreibung der Locals würde am Ziel ein herrlicher Ausblick auf die Rückseite der Torridon Hills auf uns warten.
Ein großer Bagger durchlöcherte das angrenzende Moor wie einen Schweizerkäse, was uns zu allerlei Spekulationen veranlasste. Wir diskutierten über Moorbelüftung, Drainage für Kuhweiden oder ein neuartiges Steckspiel. Wie sich herausstellte, baggerte man die Löcher für noch zu pflanzende Bäume. So kann man sich irren.
Nach einer kurzen Pause ging es zielorientiert Richtung Horizont und der dort sichtbaren Sphinx mit dem unaussprechlichen Namen. Wir überquerten einen kleinen Wasserfall unter Zuhilfenahme einer echt schottischen Brückenkonstruktion. Mitarbeiter deutscher Bau- und Ordnungsämter würden mit Verbotsformularen wedeln und anschließend in Ohnmacht fallen, hätten sie Kenntnis einer solchen Konstruktion auf einem öffentlich zugänglichen Wanderweg. Hier denkt man sich wahrscheinlich: »Who care’s, it works.«
Mithilfe des Gewässers verwandelte sich der Rest des Weges – bis dahin immerhin noch so etwas wie ein Pfad – langsam in eine unübersichtliche Pfützen- und Moorlandschaft. Man konnte es mittlerweile nicht mehr Laufen nennen, es war Pfützenhopping und Schlammcatchen. Nach jedem zweiten Schritt war ein Ausweichmanöver notwendig und das Schmatzen von aus tiefem Matsch gezogenen Schuhen zu hören.
Zwischendurch belohnte uns die Natur mit Wasserfällen, mächtigen Bergen, schönen Birkenwäldchen und schottischer Tundra. Wir beobachteten jede Menge Vögel, auch schnatternde Gänse am blauen Himmel, die in V-Formation gen Süden zogen.
Das aufgeregte Quaken begleitete uns den gesamten klaren Tag. Immer wieder tauchte die Isle of Skye aus ihrer permanenten Nebelbank auf. In diesen Augenblicken bekam man das Gefühl, mit einer Hand einfach hinüberlangen zu können, so nahe erschien uns die Königin der Hebriden.
Zum Teil liefen wir auf Wellblechen, die irgendein crofter (schottisch für Bauer im Nebenerwerb) an besonders sumpfigen Stellen abgelegt hatte, um nicht mit dem Quad zu versinken. Die tiefen Spuren der Geländefahrzeuge machten das Laufen auch nicht einfacher. Und gerade als wir, körperlich an unserer Leistungsgrenze angelangt, beschlossen umzukehren und Plan und versprochenen Ausblick links beziehungsweise hinter uns liegen zu lassen, erreichten wir doch noch das Ziel.
Welch fantastischer Anblick, welch fantastisches Panorama. Der tiefblaue, klare See, auf dessen Oberfläche sich die Sphinx spiegelte, der Strand, die neugierige Tierwelt, null Midges. Und welch fantastische Idee, den Campingkocher mitzunehmen und direkt am weißen Sandstrand eine Büchse Mac and Cheese zu brutzeln.
Auf einer mitgebrachten Decke liegend, genossen wir die Umgebung und die Mahlzeit in vollen Zügen.
Zurück bahnten wir uns vergleichsweise schnell, da bergab, einen Weg durchs nasse Geläuf und so kamen wir nach insgesamt sieben wunderbaren Stunden und, im Vergleich zu normalen Verhältnissen, wenigen achtzehn Kilometern wieder am Auto an. Matschnass, aber glücklich.
Der Abend im Pub, bei einem halben Pint Lager und Fisch und Cajun-Huhn-Burger, verlief unspektakulär. Die Bedienung weckte uns nur, um uns die Rechnung vorzulegen.
Unser QUIZ zum Thema SCHOTTLAND