Neue archäologische Erkenntnisse, aber …
Schweden: Ausgrabungen am Wrack der Gribshunden (15. Jh.) sollen Grund für Untergang klären
Die Gribshunden, einst stolzes Flaggschiff des dänisch-norwegischen Königs Johann I., ist 1495 auf noch ungeklärte Weise vor der schwedischen Küste gesunken. Das Wrack ist auch deshalb von höchster archäologischer Bedeutung, weil es das Zeitalter großer Entdeckungen zur See repräsentiert.
Und weil es sich, stellvertretend für die Schiffe von Christoph Kolumbus oder Vasco da Gama, in einem bemerkenswert guten Zustand befindet – trotz seiner inzwischen Jahrhunderte währenden Zeit am Grund der Ostsee. Unweit der Küste der Stadt Ronneby.
Im August und September 2022 ist ein Team von Archäologen unter Leitung der Universität Lund zu dem Wrack in rund 10 Metern Tiefe getaucht, um sich neben der Hauptursache des Untergangs auch dem damaligen Leben an Bord zu widmen.
Gefunden und ausgewertet wurde unter anderem Kriegsgerät unterschiedlichster Couleur: Artillerie-Geschütze und Handfeuerwaffen. Auch bislang unbekannte Teile der Ruderanlage konnten gefunden werden.
Mithilfe von 3D-Modellen konnten zudem wichtigste strukturelle Fragen beantwortet werden. Im Grunde ist durch die neueste Forschung die erste digitale Rekonstruktion des Schiffes möglich geworden. Für die beteiligten Wissenschaftler natürlich ein Riesenpfund.
„Kein anderes Schiff aus der Zeit der großen Entdeckungen hat so intakt überlebt“, teilte Brendan Foley, wissenschaftliche Leiter der Universität Lund, mit. „Die Gribshunden liefert uns völlig neue Erkenntnisse über diese Reisen.“
„Wir verstehen jetzt die tatsächliche Größe und den Aufbau dieser Schiffe, die die Welt veränderten. Und wir bekommen auch einen Eindruck davon, wie dieses Schiff als schwimmendes Schloss von König Hans funktionierte“, so Foley weiter.
Interessanterweise lieferten die Modelle Hinweise darauf, dass die hierarchische Aufteilung an Bord der Gribshunden durchaus gelockert gewesen sein könnte.
Dafür sprechen digitale Rekonstruktionen der sogenannten Heckburg, denen zufolge sich hier nicht nur der Adel und König Johann (1455-1513), sondern auch einfache Kanoniere aufgehalten haben dürften.
Auch zum Vorschiff gibt es neue Erkenntnisse, beispielsweise zur Unterbringung der Besatzung oder zur Steuerbarkeit des Schiffes, das für damalige Verhältnisse geradezu revolutionär konstruiert war. Schließlich handelte es sich um eines der ersten seiner Art, das speziell für den Transport von Artillerie konzipiert war.
Seltsamerweise konnten jedoch keine Spuren von Artillerie im Vorschiff festgestellt werden. Das nährt laut den Forschern einerseits den Verdacht, dass einige Geschütze bereits früher geborgen wurden. Andererseits ist auch möglich: Kanonen gab es nur im hinteren Teil des Schiffes.
Wissenschaftlich bekannt ist hingegen, welch wichtige Rolle die Gribshunden bei der Zielsetzung von König Johann gespielt hat, den gesamten nordischen Raum unter seine Kontrolle zu bringen. Das Schiff muss dem Herrscher teils monatelang als Machtzentrum und Verwaltungssitz gedient haben.
Überliefert sind Seereisen nach Norwegen, Gotland und Schweden, mit denen Johann seine Macht zu demonstrieren gedachte. Oft bildete das Schiff das Zentrum seiner Flotte, teils beschützt von Dutzenden von Geleitschiffen.
Ihre letzte Dienstreise führte die Gribshunden zu einem politischen Gipfeltreffen, wie es heute heißen würde. Es fand im schwedischen Kalmar statt, wo Johann hoffte, zum neuen König von Schweden ernannt zu werden – und so seine Vision einer skandinavischen Union zu realisieren.
Zu diesem Zweck war das Schiff mit vielen wertvollen Gütern beladen. Es galt schließlich, die schwedische Seite zu beeindrucken, was die Sache aus archäologischer Sicht heute umso interessanter macht: Viele dieser Gegenstände warten noch darauf, geborgen zu werden.
Ein kleiner Makel haftet jedoch an den neuesten Forschungsergebnissen. Der wahre Grund für den Untergang konnte noch nicht ermittelt werden. „In mittelalterlichen Dokumenten ist von einem Feuer und einer Explosion die Rede“, sagte Foley. Allein, bislang fehlen die Anzeichen dafür.
Fakt ist jedoch, dass es schon im nächsten Jahr eine weitere Ausgrabung rund um die Gribshunden geben wird. „Vielleicht wird es dann Beweise für die Katastrophe geben“, teilte der Forschungsleiter vor wenigen Tagen hoffnungsvoll mit.