Gesundheitssystem vor dem Kollaps?
Schweden bittet nordische Länder (inoffiziell) um Corona-Hilfe
Diese Meldung von The Reykjavík Grapevine dürfte zu den brisanteren im noch jungen Jahr 2021 gehören. Laut dem Magazin finden derzeit inoffizielle Gespräche zwischen Schweden und den anderen nordischen Ländern über mögliche Hilfestellungen zur Bewältigung der Corona-Krise statt.
Gremium des Austauschs soll die sogenannte Svalbard-Gruppe sein, ein nordeuropäischer Krisenstab, der sich regelmäßig mit Fragen der Gesundheitsversorgung in der Region befasst.
Die hochrangige Medizinerin Guðlaug Rakel Guðjónsdóttir vertritt Island in dem Gremium. In einem Pressestatement bestätigte sie das bis dato inoffizielle Hilfegesuch Schwedens um beispielsweise die Bereitstellung von Pflegepersonal oder aber die Möglichkeit der Behandlung schwedischer Covid-19-Patienten – vornehmlich im nahe gelegenen Dänemark oder Norwegen.
Denn, so berichtet The Reykjavík Grapevine, die meisten schwedischen Intensivstationen seien bereits an der Kapazitätsgrenze angelangt. Glaubt man den aktuellen Wasserstandsmeldungen, dürfte es also nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Schweden seine nordischen Nachbarn auch offiziell um Hilfe bittet.
Politisch brisant ist das Ganze deshalb, weil sich Schweden im bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie an einem deutlich liberaleren Ansatz versucht hat, als es im Rest Europas mit seinen zum Teil harten Lockdown-Maßnahmen der Fall war bzw. ist.
Dafür wurde Schweden im Frühjahr und den Sommermonaten teils bewundert, vielfach aber auch gescholten – gerade auch von den Nachbarn. Aber da schien alles noch irgendwie beherrschbar.
Seit dem Herbst deutet sich jedoch an, dass das Setzen auf die menschliche Vernunft allein nicht ausreicht, um der Corona-Situation in Schweden oder sonst wo Herr zu werden.
Hinzu kommt neuerdings eine möglicherweise höchst ansteckende Mutation des Virus, die sich rasch von Großbritannien aus in die europäische Fläche auszubreiten scheint.
Die Konsequenz: Schweden verzeichnet aktuell pro Tag über 30.000 neue Corona-Infektionen. Und liegt damit in etwa auf Augenhöhe mit Deutschland, das aber achtmal mehr Einwohner hat.
Politische Häme oder Zuspitzung (mit der leider zu rechnen sein wird) wäre mit Blick auf Schweden jedoch völlig unangebracht, dafür scheint die Lage im Land viel zu ernst zu sein.
Knapp 9.000 Menschenleben hat Covid-19 hier bereits gekostet. Zum Vergleich: In Dänemark verstarben bislang 1.400 Menschen, in Finnland unter 600, in Norwegen 450 und in Island lediglich 30.
Ungleiche Rahmenbedingungen also, die hoffentlich ein Gutes haben: Dass nämlich im logistisch eng vernetzten Norden (bis auf Island) noch Spielraum vorhanden ist, um Schweden bei akutem Bedarf unter die Arme zu greifen.
Es wäre zu wünschen, denn es scheint aktuell wahrscheinlich, dass Hilfe geboten sein wird.
sh