Der Flug des Schmetterlings
Die 4.000 Kilometer lange Reise des Distelfalters über Kontinente
Der Distelfalter (Vanessa cardui) überrascht die Wissenschaft mit einer der spektakulärsten Insektenwanderungen überhaupt: Bis zu 4.000 Kilometer legen manche Exemplare auf ihrer Reise von Skandinavien bis südlich der Sahara zurück – quer über das Mittelmeer, durch die Weiten der Wüste. Andere brechen früher ab, stoppen bereits am Mittelmeer. Eine neue internationale Studie zeigt, wie flexibel und unvorhersehbar das Zugverhalten dieser Schmetterlinge ist.
„Wir konnten mithilfe von Wasserstoff- und Strontiumisotopen zurückverfolgen, woher die Tiere stammen und wie weit sie gereist sind“, erklärt Clement Bataille, Professor für Naturwissenschaften an der Universität Ottawa. „Das bestätigt die enorme Spannweite ihres Zugverhaltens.“
Migrationsmuster sind weniger starr als gedacht
Frühere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass Vanessa cardui sogar Ozeane überwindet – etwa bei einer 4.200 Kilometer langen Reise von Westafrika nach Südamerika. Der neue Befund: Die Migrationsmuster sind weniger starr als gedacht – und offenbar stark von Umweltfaktoren wie der Tageslichtdauer beeinflusst.
„Es sind nicht die Gene, die den Unterschied machen“, sagt Megan Reich, Postdoktorandin an der University of Ottawa. „Die Tiere reagieren flexibel auf Umweltreize – ein klarer Hinweis darauf, wie äußere Bedingungen das Verhalten steuern.“
Ein auffälliges Muster: Distelfalter aus dem Norden ziehen im Herbst tendenziell weiter nach Süden als ihre südlichen Artgenossen. Was genau dieses „Sprungverhalten“ auslöst, ist noch unklar. Die Forscher sehen darin wichtige Fragen für die Zukunft.
„Könnte diese fehlende genetische Differenzierung trotz unterschiedlicher Zugstrategien auch bei anderen Insekten vorkommen?“, fragt Daria Shipilina, Biologin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Die Antwort könnte unser Verständnis von Migration grundlegend verändern.
Warum das wichtig ist? Wandernde Insekten spielen eine Schlüsselrolle im Ökosystem: Sie bestäuben Pflanzen, dienen als Nahrung für andere Arten und transportieren Nährstoffe.
„Wenn wir ihre Wanderungsmuster verstehen, können wir besser einschätzen, wie menschliche Eingriffe in die Umwelt – etwa durch den Klimawandel – langfristig auf diese Prozesse wirken“, so Reich.
Die Studie liefert ein weiteres Puzzleteil im Verständnis globaler Migrationsbewegungen – und zeigt: Auch kleine Flügel können große Distanzen überwinden.
Die Studie wurde in PNAS Nexus unter dem Titel „Isotope geolocation and population genomics in Vanessa Cardui: Short- and long-distance migrants are genetically undifferentiated“ veröffentlicht.