Ein Reisebericht von der Westküste Schwedens
Sieben Tage in Varberg
Im Juli 2017 reisten wir wieder einmal nach Schweden. Dieses Land, mit seinen aufgeschlossenen Menschen, den atemberaubenden Küstenregionen und tiefen Wäldern ist seit 2015 jedes Jahr für zwei Wochen unsere „Wahlheimat“.
Die ersten sieben Tage verbrachten wir diesen Sommer an Schwedens Ostküste, in Kolboda, einem kleinen Dorf etwa 20 Minuten südlich von Kalmar. In der zweiten Woche lernten wir nach Göteborg und der Region um Helsingborg einen weiteren Teil der Westküste kennen. Wir hatten uns nach kurzer Suche für die Stadt Varberg in der Provinz Hallands Län und ihre Umgebung entschieden und genau hier beginnt dieser Reisebericht.
Der erste Eindruck, der sich hauptsächlich auf unser „modern eingerichtetes“ Domizil bezog, war alles andere als positiv (Bitte mietet nicht die Wohnung mit der Adresse Jonstaka 8!), aber wenn man einen schönen Urlaub haben will, muss man aus der Not eine Tugend machen und in unserem Fall hieß das, dass wir mehr oder weniger nur zum Schlafen dort waren. – Schwamm drüber.
Der Vorteil, wenn man wie wir mit dem Auto reist, liegt auf der Hand – man ist flexibel und kann sowohl die Stadt als auch das Umland großzügig erkunden. In einem Umkreis von rund 30 Kilometern gibt es so viel mehr zu erleben, als man in einer Woche auch tatsächlich in die Tat umsetzen könnte.
Wie üblich haben wir uns zuerst in unserem Ferienort umgeschaut – man muss wissen, wo der Coop-Supermarkt, ein Sportplatz zum Fußballspielen und die Minigolfbahnen sind, schließlich sind Letztere für unseren Sechsjährigen ein nicht wegzudenkender Bestandteil eines jeden Urlaubs.
Und siehe da: Allein am Hafen gibt es gleich zwei Anlagen und in der Stadt mindestens eine weitere. Varberg hat einen idyllischen, belebten Hafen, an dem an unserem ersten Tag das Skaterfestival Hallifornia stattfand.
Obwohl wir nichts weniger sind als Skater, fühlten wir uns dank der guten Stimmung sehr wohl. Direkt am Hafen findet man zudem das Kallbadhuset (ein Kaltbadehaus) und die Festung Varberg, die Besuchern kostenlos offen steht. Es lohnt sich, den Anstieg zur Festung in Kauf zu nehmen, denn die Küstenlandschaft ist von dort oben ein wahrer Augenschmaus.
Im Südwesten Varbergs befindet sich der Ortsteil Apelviken, der mit einem schier endlosen Strand auftrumpfte. Zwar war das Wetter eher britisch, doch bekanntermaßen gibt es kein schlechtes Wetter, nur unpassende Kleidung. Der kilometerlange Sandstrand, das Rauschen der Ostsee, das Kreischen der Möwen – was braucht es mehr?
Richtig! Felsen zum darauf Rumklettern braucht es! Zumindest ist das unsere innere Überzeugung.
Vom Zentrum Varbergs aus erreicht man binnen weniger Minuten die Halbinsel Getterön. Diese war bis in die 1930er Jahre eine Insel, die dann mit dem Festland verbunden wurde. Wenn man den Ort Getterön auf der Hauptstraße durchquert, gelangt man nach einer Weile auf den großzügigen Parkplatz der Bucht Femte Vik (Fünfte Bucht). Nur ein paar Schritte bergauf und schon bot sich uns das Bild, auf das wir das ganze Jahr gewartet hatten.
Große Felsen, kleine Felsen, Gesteinsfelder und im Hintergrund der Kattegat. Wer das Meer so sehr liebt wie wir, weiß, dass dieser Anblick jeden zurückgelegten Kilometer wert ist und jeden Stress durch schlechte Ferienwohnungen vergessen lässt.
Nach einer ersten Kraxeltour, natürlich stets vorsichtig und immer mit Blick auf eventuell wackelige Steine, waren wir völlig fertig – und glücklich. Wenn irgendwann auch der letzte Trampelpfad hunderte Meter hinter einem liegt, merkt man, dass man dem Alltag Stück für Stück entkommt und gemeinsam ein kleines Abenteuer erlebt.
Getterön hat neben Femte Vik, wie der Name schon nahelegt, vier weitere Buchten, einen Campingplatz – mit einer kleinen aber gepflegten Minigolfanlage – und ein Vogelschutzgebiet.
Das Naturum Getterön lädt dazu ein, aus vier kleineren Hütten und einem Beobachtungszentrum mit Fernglas-Shop heraus die zahlreichen in der Gegend lebenden Vogelarten zu beobachten. Zwar hatten wir nur ein kleines Fernglas dabei, doch war es spannend, neben den allgegenwärtigen Möwen, Reihern und Gänsen, einen waschechten Adler zu Gesicht zu bekommen. Auch wenn dieser sich nur für wenige Sekunden zeigte, um schließlich außerhalb unseres Blickfeldes zur Landung anzusetzen, waren wir ein bisschen aufgeregt.
Aufregung war auch ein Thema unseres zweiten Ausfluges Richtung Norden. Nach 15 Kilometern entlang der E20 gelangt man nach Väröbacka und von dort sind es nur wenige Kilometer küstenwärts, bis man einen kleinen Parkplatz kurz hinter dem Ort Bua erreicht.
Der aufmerksame Leser erkennt sofort das Motiv unserer Fahrt – Felsen, Felsen, Felsen. Im Falle von Bua gab es sogar noch einen Bonus – ein zauberhafter Leuchtturm, der uns wie ein Relikt aus einem Märchen vorkam.
Der Leuchtturm selbst war ohne Probleme zu erreichen. Die Holzbank direkt an seinem Fuße schenkt dem Ruhenden einen Blick, den man gern einpacken und mitnehmen würde. Man atmet ganz automatisch tiefer ein, hört dem Meer zu, riecht das Salz in der Luft und hofft, dass die Zeit für einen weiteren Moment stillsteht.
Doch ist das nur ein frommer Wunsch, wenn man einen Sechsjährigen dabei hat, der es nicht erwarten kann, zu Klettern. So verbrachten wir die folgenden 45 Minuten damit, möglichst nah am Wasser zwischen zum Teil zwei Meter hohen Felsen umherzuspringen und nun wurde es, wie eingangs erwähnt, für unser aller Geschmack ein bisschen zu aufregend.
Ein unachtsamer Schritt auf rutschigem Moos genügte – ich rutschte mit den Füßen voran aus und landete zuerst unsanft auf dem Hintern, was die Begegnung meines Hinterkopfes mit dem Felsen wohl genug abbremste, um mir für den Rest der Woche lediglich Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen zu bereiten. Eine Gehirnerschütterung blieb aus und somit konnte der Urlaub auch wie geplant fortgesetzt werden. Nichtsdestotrotz war und ist mir das eine Warnung für künftige Kraxeltouren.
Bevor der Eindruck entsteht, wir würden im Urlaub ausschließlich auf Steinen herumklettern, soll es nun etwa 20 Kilometer ins Landesinnere gehen. Die Buchenwälder von Åkulla (Åkulla Bokskogar) erstrecken sich über ca. 100km² und inmitten dieser grünen Pracht finden sich viele kleine und größere Seen.
An den Seen befinden sich verschiedene sehenswerte Anlaufpunkte, welche über ausgeschilderte Wanderwege von 3 bis 6 Kilometern Länge zu erreichen sind. Unsere erste Tour führte uns um den Yasjön, einen eher kleinen See im Norden des Waldgebietes.
Der Wanderweg Yasjöstigen, mit seinem Start- und Zielpunkt an einem Café, bog schon nach wenigen Metern direkt in den Wald ab und hatte durchaus seine kleinen Herausforderungen, die das Wandern für uns nur umso reizvoller machten.
Nach rund 5 Kilometern und bei bestem Wetter kam die doppelte Abkühlung in Form von Eis aus dem Café und der Kühle des Sees genau richtig. Der Entschluss, auch am Folgetag die Åkulla-Wälder zu besuchen, stand somit schnell fest. Dieses Mal wählten wir den Wanderweg „Bergastigen“, der als Start und Ziel die Schaffarm Öströö hat und um den Ottersjön führt. Nachdem auch dieser schöne Weg hinter uns lag verbrachten wir zwei Stunden auf der Schaffarm bei Fika (Kaffee und Kuchen) und Schafe streicheln.
Da sich unser Urlaub langsam dem Ende neigte, zog es uns zu dem Ort zurück, an dem diese Woche begann. Wir fuhren, mit einem Picknickrucksack ausgerüstet, ein letztes Mal zum Femte Vik und genossen den traumhaften Sonnenuntergang. Sicher erzähle ich niemandem, der gern ans Meer reist, etwas Neues, aber Sonnenauf- oder -untergänge am Meer zählen zu den schönsten Erlebnissen im Urlaub und sind fest mit einem Gefühl der Vorfreude auf den nächsten Urlaub verbunden, die uns nun über das Jahr trägt.
Text und Fotos: Thomas (@wortwicht)