Und warum Finnland nicht dazu zählt
Ein Wort, sie zu einen – Die zwei Bedeutungen Skandinaviens
Nordeuropa hat in Deutschland zurzeit Hochkonjunktur. Nordische Krimis erklimmen die Bestsellerlisten und schwedische Möbelhäuser dekorieren die Wohnzimmer der Bundesrepublik um. Auch die Reisebüros reagieren prompt. Überschwänglich werben sie mit dem Schlüsselwort Skandinavien – und schießen dabei manchmal am Ziel vorbei.
Ob Modeblog, Lokalzeitung oder sogar wissenschaftliche Studie: Häufig herrscht Uneinigkeit darüber, wo genau Skandinavien liegt. Die einen rechnen Schweden, Norwegen und Dänemark dazu, die anderen auch Finnland und Island. Wie so häufig ist die Antwort darauf nicht so einfach, wie es zunächst scheint. Die genaue Bedeutung des Wortes hängt davon ab, wen man fragt – wie es auch etwa beim Begriff Baltikum der Fall ist.
Der Ursprung des Wortes Skandinavien
Im ersten Jahrhundert nach Christus tauchte der Name Skandinavien erstmals bei Plinius dem Älteren auf. In seiner Enzyklopädie „Naturalis historia“ beschreibt er die inselreiche Seestraße von Codanus. Gemeint war damit wahrscheinlich der Kattegat nordöstlich von Jütland. Die größte der Inseln, die Plinius dort fand, taufte er auf den Namen Scantinavia.
Sprachwissenschaftler rekonstruierten auf Grundlage von Plinius‘ Aufzeichnungen den urgermanischen Namen Skaðin-awjo. Während der zweite Wortteil wahrscheinlich Insel bedeutet, ist der Ursprung des ersten Wortteils bislang ungeklärt. Später ging der Name Skaðin-awjo nicht nur auf die Region im Norden über, sondern auch auf das südschwedische Skåne (dt. Schonen).
Ein Wort, sie zu einen
Für lange Zeit war die Bezeichnung skandinavisch aber weitgehend unbekannt. Erst als im 19. Jahrhundert in Europa Nationalbewegungen entstanden, kam der Überbegriff Skandinavien in Dänemark, Norwegen und Schweden in Mode. Zu dieser Zeit versuchte die schon bestehende schwedisch-norwegische Union, Dänemark anzugliedern.
Eine Intellektuellenbewegung nahm sich zum Ziel, die drei Völker unter dem geeinten Titel Skandinavien zu vereinen. So wollten sie dem deutschen Pangermanismus und dem erstarkenden Russischen Reich die Idee einer nordischen Einheit entgegensetzen. Infolgedessen wurde der Begriff Skandinavien auch in anderen Sprachen Europas allmählich bekannter.
Skandinavien heutzutage
Heutzutage hat der Begriff skandinavisch zwei zentrale Bedeutungen: eine geografische und eine sprachlich-kulturelle. Für Geografinnen und Geografen ist jene Halbinsel skandinavisch, auf der Norwegen und Schweden sowie Teile von Finnisch-Lappland liegen.
Ebenso wie Dänemark und Island zählt Finnland als Ganzes nicht zu dieser Definition. Der geografische Name Fennoskandien hingegen schließt die Gebiete der drei Staaten Schweden, Norwegen und Finnland komplett ein.
Vom Namen der schwedisch-norwegischen Halbinsel ging der Begriff skandinavisch im 19. Jahrhundert auf jenen Sprachzweig über, dem die Sprachen Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Färöisch und Isländisch angehören.
Warum Finnland oft mit Skandinavien verwechselt wird
Auch die sprachlich-kulturelle Definition sieht das Finnische nicht vor. Als uralische Sprache ist es nicht mit den skandinavischen Sprachen verwandt. Seine nächsten Verwandten sind beispielsweise das Karelische und das Estnische.
Weder im geografischen noch sprachlichen Sinne zählt Finnland also zu Skandinavien. Aufgrund seiner sozialen Entwicklung im letzten Jahrhundert wird es jedoch oft in einer Reihe mit Schweden, Dänemark und Norwegen erwähnt.
So sind alle Staaten moderne, liberale Demokratien, die auf der Liste der glücklichsten Staaten der Welt regelmäßig an der Spitze liegen. Auch historische und kulturelle Verknüpfungen, die im Lauf der Jahrhunderte entstanden, teilen die skandinavischen Staaten mit Finnland.
Für alle Länder der Region zusammen hat sich mancherorts der Begriff nordisch durchgesetzt. Doch auch er ist nicht immer eindeutig. Je nach Definition umfasst er mal die skandinavischen Länder, mal auch Finnland, mal die baltischen Staaten, mal Großbritannien und Irland. Eine allgemeingültige Definition gibt es dafür nicht.
Welche Länder mit den Namen genau gemeint sind, hängt also meist vom Kontext ab. Der Begriff Skandinavien bezeichnet meist entweder die Halbinsel oder einen Sprachzweig. Der Begriff nordisch hingegen fasst je nach Sprecher unterschiedliche Länder Europas zusammen. Welche Länder dazugehören, daran scheiden sich die Gemüter. Aber wie man ihn auch nennt – der Norden Europas ist und bleibt eine Region, die immer eine Reise wert ist.
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„Nordisch“ leitet sich doch vermutlich von den im Dänischen, Norwegischen und Schwedischen unter „Norden“ zusammengefassten „Nordischen Ländern“ ab. Die Bezeichnung umfasst neben der skandinavischen Halbinsel auch Finnland, Dänemark, die Färöer, Island und sogar Grönland. Im Gegensatz zum eher geographisch definierten „Skandinavien“ umfasst „Norden“ ein Gebiet, das enge geschichtliche, politische und kulturelle Verbindungen besitzt.